Brandsätze an Bahnstrecken Polizei spricht von neuem Terrorismus

Sind die Brandsätze gegen die Bahn Terror? Ja, sagt die Polizeigewerkschaft. Die Bevölkerung solle mit Gewalt in Angst versetzt, die Politik zum Handeln genötigt werden. Die SPD widerspricht heftig. Inzwischen wurde ein weiterer Brandsatz gefunden.

Der Fund immer neuer Brandsätze an Bahnanlagen im Großraum Berlin hat eine Diskussion über die Dimension linksextremer Gewalt in Deutschland entfacht. Nach Ansicht des niedersächsischen Verfassungsschutzes wird die Szene immer militanter. "Wir beobachten seit einiger Zeit, dass die Gewaltbereitschaft in der linksextremen Szene deutlich wächst", sagte der Präsident der Behörde, Hans-Werner Wargel, der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Ein besonders militanter Kern der Linksextremisten schrecke inzwischen nicht mehr davor zurück, auch Menschenleben konkret und unmittelbar zu gefährden, warnte Wargel. Bei dem Brandanschlag an einem Berliner Bahntunnel hätte es ebenso Tote geben können wie bei Brandsatzangriffen auf die Insassen eines Polizeiautos beim letzten Castortransport in Niedersachsen. Es seien durchaus "Parallelen zu den bis in die 1990er-Jahre aktiven "Revolutionären Zellen" erkennbar".

Wieder ein Brandsatz entdeckt

Am Donnerstag wurde am vierten Tag in Folge in Berlin ein Brandsatz an Bahngleisen entdeckt. Er wurde nahe der ICE-Strecke zwischen den Bahnhöfen Südkreuz und Priesterweg bei einer Kontrolle gefunden, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Die Strecke führt nach Leipzig, parallel dazu verläuft eine S-Bahn-Linie.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft sprach von einer neuen Dimension. Die Bevölkerung solle mit Gewalt in Angst und Schrecken versetzt, der Staat solle zu politischen Entscheidungen genötigt werden, sagte ihr Vorsitzender Rainer Wendt "Handelsblatt Online". "Das ist beginnender Linksterrorismus, auch wenn dies aus der politischen Perspektive der Regierung noch nicht erkannt oder anders bewertet wird. Ich vermag keinen Unterschied zwischen Mordanschlägen auf Polizisten und solchen auf Politiker zu entdecken."

"Nicht den Verstand ausschalten"

Die SPD wies diese Einschätzung scharf zurück. Die Brandsätze, die seit Tagen an Bahnanlagen im Raum Berlin entdeckt werden, hätten mit Terrorismus nichts zu tun, sagte der Innenexperte der Sozialdemokraten, Dieter Wiefelspütz, der "Süddeutschen Zeitung". "Bei aller berechtigten Empörung darf man den Verstand nicht ausschalten." Es gehe nicht darum, die gefährlichen Brandsätze zu verharmlosen. Ein Vergleich etwa mit der RAF verbiete sich aber. Diese habe "Krieg gegen die Spitzen des Staates geführt". Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte im Inforadio des RBB, man solle einen Bürgerkrieg nicht an die Wand malen.

Damit grenzte sich die SPD auch von der Bundesregierung ab. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte gesagt, er sehe sich in seiner Sorge wegen eines "zunehmenden Linksextremismus leider bestätigt". Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) verurteilte die versuchten Brandstiftungen als "verbrecherische terroristische Anschläge".

Nach dem Brandanschlag auf Kabel auf der Bahnstrecke Berlin-Hamburg am Montag war ein Bekennerschreiben aufgetaucht. Eine linksextreme Gruppe hatte gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan protestiert.

Bahn droht mit saftiger Schadenersatzklage

Die Polizei geht davon aus, dass alle Brandsätze gleichzeitig deponiert wurden und jetzt nacheinander gefunden werden. Bislang wurden keine Menschen verletzt. Wegen des Verdachts der "verfassungsfeindlichen Sabotage" hat inzwischen die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommenpiel. Die Bahn setzte eine Belohnung von 100.000 Euro für die Ergreifung der Täter aus.

Am Donnerstag gab es in Berlin und Brandenburg weiterhin Zugausfälle und Verspätungen - vor allem auf den Fernbahnstrecken nach Hamburg und Hannover und bei etlichen Regionalzügen Richtung Norden und Westen. Die Bahn drohte mit einer Schadenersatzklage im großen Ausmaß.

DPA
mad/fw/DPA

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