Die Horrortat vom Frankfurter Hauptbahnhof hallt weiter nach: Es herrschen Entsetzen, Mitgefühl, Trauer, Fassungslosigkeit.
Nicht nur bei den rund 400 Menschen, die sich am Abend am Bahnhof in der Mainmetropole zum Gedenken versammelt haben und um den toten Achtjährigen trauern, der mutmaßlich von einem 40-Jährigen vor einen einfahrenden ICE gestoßen wurde. Auch in den sozialen Netzwerken suchen die Nutzer nach Worten, um das Unbegreifliche begreifbar zu machen, um nicht allein zu sein mit ihren Gefühlen.
Beitrag zum Mord in Frankfurt tausendfach geteilt
Eine der Betroffenen ist die Mainzer Verlegerin Karin Schmid-Friderichs. Sie stand nach eigenen Angaben ganz in der Nähe, "zwei Gleise entfernt", als die Wahnsinnstat geschah und schildert in einem berührenden Facebook-Post ihre Erlebnisse und Gedanken. Der Beitrag wurde bis zum Mittwochmittag rund 10.000-mal geteilt und fast 3000-mal kommentiert – eine "unvorstellbare" Resonanz, so die 59-jährige Vorstandsvorsitzende des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.
Oberbürgermeister bei Mahnwache: "Diese Tat widerspricht allem, wofür wir in Frankfurt stehen"
Schmid-Friderichs nimmt die Leser mit in die riesige Halle des Frankfurter Hauptbahnhofs am Montagvormittag um kurz vor zehn: "Der entsetzliche Schrei klingt nach. Und das Erlebnis, wildfremde Menschen fest in den Arm zu nehmen, weil sie sichtlich Schockreaktionen zeigen."
Sie zeichnet ein Bild von – mit einigen Ausnahmen – großer Solidarität unter den Besuchern des Bahnhofs: "Ich habe erlebt (...), dass Menschen ihre Koffer öffnen, saubere Kleidung auf den Boden legen, damit verstörte Menschen ihre Füße hochlegen können."
Schmid-Friderichs beschreibt, wie gut unsere Gesellschaft trotz all der Hetze und all des Hasses offenbar noch funktioniert und zusammenhält: "In weniger als fünf Minuten waren mehr als fünfzig Helfer, Sanitäter, Polizisten am Gleis. Reisende halfen einander." Sie erkennt positive Zeichen in Momenten schwersten menschlichen Leids: "Wir sollten (...) auch nicht vergessen, dass heute in Frankfurt wildfremde Menschen einander in den Armen lagen, miteinander weinten und zitterten (...)."
Und sie findet auch für jene Worte, die aus dem entsetzlichen Verbrechen politisches Kapital schlagen wollen. Die die Tat nutzen, um ihren Hass auf Minderheiten weiter zu säen. "Die Wahrheit ist komplex. Und immer komplexer als rechte Idioten sie jetzt ausschlachten."
Die Tat und ihre Folgen werden die Verlegerin noch lange beschäftigen: "Ich höre den Schrei noch und wünschte, ich könnte ihn vergessen."
Am Ende bleibt Schmidt-Friderichs die Hoffnung: "Ich bin nicht gläubig, aber jetzt vor dem Einschlafen werde ich beten. Für die Frau, die zehn Meter von mir entfernt ihr Kind verlor. Und ich werde bitten, dass die Tatsache, dass der Idiot, der das tat, Eritreer war, das Klima in Deutschland nicht weiter vergiftet ..."
Der Facebook-Post von Karin Schmidt-Friderichs:
Mutmaßlicher Mörder von Frankfurt soll kürzlich Nachbarin bedroht haben
Karin Schmidt-Friederichs spricht mit ihren Worten vielen Menschen aus dem Herzen, das zeigen die Reaktionen. "Danke für diese Worte" – hundertfach, tausendfach zeigen sie so oder ähnlich ihr Mitgefühl in den Kommentaren, ihre Zustimmung zu den bewegenden Worten der Verlegerin.
"Wenn etwas Schlimmes passiert, zeigt sich fratzenhaft der wirkliche Charakter. Gute Züge im Menschen werden besser, schlechte schlechter", schreibt Karin Schmid-Friderichs. Und: "Ich spüre aber auch, dass das Gute heute am Frankfurter Hauptbahnhof etwas besser war."