Frau Lau, am 16. November um 18 Uhr startet der 24-stündige RTL-Spendenmarathon. Sie nehmen als Patin eines Projektes teil, das Kinder in Frauenhäusern unterstützen soll. Warum setzen Sie sich gerade für dieses Thema ein?
Ich bin Mutter von drei Kindern. Mich interessiert alles, was mit Kindern zu tun hat. Kinder haben keine eigene Lobby, deswegen setze ich mich gerne für sie ein. Kinder sind unsere Zukunft und wenn wir sie vergessen, können wir die ganze Welt vergessen. Wir müssen sie beschützen, sind für diese kleinen Wesen verantwortlich.
Im Rahmen des Projektes haben Sie und ein Kamerateam einen Tag in einem Frauenhaus in Bremen verbracht. Was dachten Sie, erwartet Sie im Frauenhaus?
Ich wusste, dass es ein schwieriger Tag wird. Im Vorfeld hatte ich mit der Leiterin telefoniert, die mir ein paar der Geschichten der Bewohnerinnen erzählt hat. Kaum vorstellbar, was sie und ihre Kinder erleben mussten. Nach dem Telefonat liefen mir die Tränen nur so runter. Ich bin leider sehr durchlässig. Bei mir kommt jedes Leid ganz ungefiltert an.
Was waren das für Geschichten?
Grundsätzlich ging es um jede Form von Gewalt. Verbale und auch körperliche. Von Messern war die Rede, von einer Axt. Eine Frau erzählte, ihr Mann stand vor ihr und schrie: "Ich zünde dich an!" Warum zum Teufel hat der Mann die Frau geheiratet, wenn er sie doch jetzt anzünden will? Darauf gibt es keine Antwort.

Gab es etwas, das Sie überrascht hat?
Ich habe mich im Vorfeld gefragt, was dort wohl für Frauen leben. Leider war ich etwas voreingenommen. Als ich vor Ort war und mit den Frauen sprach, merkte ich aber, dass das unheimlich schlaue, gebildete, nette Frauen sind. Ich weiß noch genau, wie ich dachte: "Das sind ganz normale Frauen. Mütter wie ich. Ich könnte eine von ihnen sein." Häusliche Gewalt kommt in allen Schichten und Bevölkerungsgruppen vor. Was mich auch überrascht hat: Die Kinder waren nicht so verstört, verschreckt oder schüchtern, wie ich erwartet hatte.
Sondern?
Da war ein kleiner Junge, zweieinhalb Jahre alt, der war superanhänglich. Ist jedem direkt in die Arme gesprungen. Ich dachte zuerst: "Ach, schau an, so ein zutrauliches Kind. Es bleibt Hoffnung." Später erzählte mir eine Pädagogin, dass gerade Kinder, die Schreckliches erlebt haben, sich so verhalten. Der Junge wollte nur Liebe. Körperliche Nähe, Umarmen, Kuscheln. Er hat Sicherheit gesucht – bei jedem – weil er sie aus dem familiären Umfeld nicht kannte. Das ging mir sehr nah. Und so war das bei einigen Kindern. Traumata von Kindern wirken anders als Traumata von Erwachsenen. Kinder haben ganz andere Bedürfnisse.
Was war insgesamt Ihr Eindruck vom Alltag im Frauenhaus?
Ich habe eine große Traurigkeit gespürt. Alles war sehr still – außer natürlich der Kinderbereich, da war es wuselig. Ich hatte das Gefühl, dass die Frauen in Habachtstellung sind. Dass sie immer im Kopf haben, was als nächstes passieren könnte. Angsterfüllt. Was ich allerdings sehr schön fand, war das Miteinander der Frauen. Ich glaube, sie hatten eine besondere Verbindung zueinander, weil sie alle wirklich schreckliche Dinge erlebt haben. Auch die Kinder sind dort unter Gleichaltrigen, die sie verstehen.
Was haben Ihnen die Kinder im Frauenhaus erzählt?
Ich habe mit einer ehemaligen Bewohnerin und ihrem Sohn über ihre Zeit im Frauenhaus gesprochen. Inzwischen ist der Junge 14 Jahre alt. Er hat mir erzählt, wie grausam sein Vater war. Und dass er sich damals geschämt hat, in einem Frauenhaus zu leben, obwohl es ihm dort besser ging. Vor seinen Kumpels hat er so getan, als hätte er eine intakte Familie, ein normales Haus. Er wollte nicht bemitleidet werden. Inzwischen wohnen sie wieder in einer eigenen Wohnung. Die Mutter hat sich von dem gewalttätigen Partner getrennt und hat neu geheiratet. Leider ist der Stiefvater nicht besser als der leibliche Vater.
Wieso das?
Auch der Stiefvater behandelt die Mutter nicht gut. Der Junge ist also immer noch nicht in Sicherheit. Er hat mir erzählt, dass er ständig angespannt ist, Angst hat, dass er wieder einen Notarzt rufen muss. Ich finde es tragisch, dass dieses Kind nicht normal Kind sein darf.
Wie wird den Kindern im Frauenhaus geholfen?
Die Kinder, die dort ankommen, sind nicht immer so lebhaft wie die, die ich kennengelernt habe. Anfangs sind die meisten innerlich leer. Sie müssen erst wieder lernen, Kind zu sein. Dafür gibt es die Sozialpädagogen. Sie versuchen die traumatisierten Kinder aus ihren Schneckenhäusern zu locken und ihnen zu zeigen, dass nicht die ganze Welt schlimm ist. Nur ein kleiner Teil ist schlecht, der Rest okay. Leider sind die Mitarbeiterinnen am Limit. Es bräuchte viel mehr Personal, um die Kinder aufzufangen.
Für diese Unterstützung sammelt das Projekt "Ein guter Ort für Kinder", bei dem Sie Patin sind, Geld. Bis zu 150 pädagogische Angebote für Kinder und Jugendliche in Frauenhäusern sollen durch Spenden ermöglicht werden. Warum wird gerade da Geld benötigt?
Wenn man ans Frauenhaus denkt, denkt man erst einmal nur an die Frauen. Dabei leben mehr Kinder als Frauen in solchen Einrichtungen. Gibt es Gewalt in Familien, sind die Kinder die Leidtragenden. Sie sind abhängig von ihren Eltern – schutzbedürftig. Sie können nicht entscheiden, wann sie die Gewalt hinter sich lassen. Sie müssen darauf warten, dass ihre Mütter den Schritt wagen, zu gehen. Und dann müssen sie hoffen, dass es einen freien Frauenhausplatz gibt. Frauenhäuser müssen regelmäßig Betroffene ablehnen. Das muss man sich mal vorstellen: Da steht eine Frau mit drei Kindern vor der Tür und kann nicht bleiben. Eine mutige Frau, die es geschafft hat, ihren gewalttätigen Partner zu verlassen. Und jetzt weiß sie nicht wohin. Ist weiterhin in Gefahr. Natürlich versuchen die Frauenhausmitarbeiter alles möglich zu machen, aber wenn es keinen Platz gibt, können sie nichts tun. Da muss die Politik dringend handeln.

Die Stiftung stern und die "Frauenhauskoordinierung" nehmen mit dem Projekt "Ein guter Ort für Kinder" am diesjährigen RTL-Spendenmarathon teil. Das Ziel ist die Finanzierung von bis zu 150 pädagogischen Angeboten für Kinder und Jugendliche in Frauenhäusern. Der 24-stündige Spendenmarathon bei RTL beginnt am 16. November um 18 Uhr. Wenn Sie helfen möchten, überweisen Sie bitte an:
Stiftung RTL
DE55 370 605 905 605 605 605
Stichwort "Frauenhäuser"
Mehr Infos: www.rtlwirhelfenkindern.de
Was kann jeder Einzelne tun, um zu helfen?
Es darf kein Tabu-Thema mehr sein, über Gewalterfahrungen zu sprechen. Wir müssen einfach akzeptieren, dass es Gewalt gibt. Und wir sollten nicht auf Betroffene herunterschauen. Wir haben einfach nur Glück, nicht in ihrer Haut zu stecken. Außerdem kann man spenden, Geld und Sachspenden. Die Familien fliehen und haben nichts bei sich. Sie freuen sich über Kleidung, Schuhe und Spielzeug.
Was nehmen Sie aus dem Besuch im Frauenhaus mit?
Ich bin dankbarer dafür, wie mein Leben läuft. Dass meine Familie und ich nicht dieses Schicksal erleiden müssen. Das Erste, was ich gemacht habe, nachdem ich aus dem Frauenhaus nach Hause kam, war meine Kinder ganz fest zu umarmen.