Oberstaatsanwältin Claudia Laube wirkte bedrückt. Immer wieder sprach die kräftige Frau mit dezentem rheinischen Dialekt ihr ganz persönliches Fazit in die Mikrofone und Kameras: "In diesem Verfahren gibt es keine Sieger." Dabei war die große Strafkammer des Leipziger Landgerichts ihrem Strafantrag fast Punkt für Punkt gefolgt: Sie verurteilte den gelernten Maurer Uwe K. wegen der Vergewaltigung und Ermordung des neunjährigen Mitja zu lebenslanger Haft.
"Es gibt ganz sicher einen Verlierer"
Zudem hatte der Kammer-Vorsitzende Hans Jagenlauf gemeinsam mit zwei Richter-Kolleginnen und zwei Schöffinnen die besondere Schwere der Schuld festgestellt und Sicherungsverwahrung für den mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs vorbestraften K. angeordnet. Trotzdem, so Laube, gebe es "ganz sicher einen, möglicherweise aber auch zwei Verlierer." Der erste Verlierer sei ohne Frage Mitja. Der zweite Verlierer aber sei "unter Umständen" auch Uwe K.
Der hatte am vorletzten Verhandlungstag, überraschend die Chance zu einem Schlusswort genutzt und betont, er werde "den Weg, der mir auferlegt wird, gehen und bewältigen". Das Urteil und die Begründung Hans Jagenlaufs nahm er heute aber wieder so ruhig und regungslos entgegen, wie er den restlichen Prozess hinter sich gebracht hatte: die Arme auf der Anklagebank verschränkt, das bleiche Gesicht leicht gesenkt, den Blick auf die Tischplatte gerichtet.
Revision noch offen
Denn die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung, die nach der "glasklaren Beweislage" für den Mord, von der selbst K's. Anwalt Malte Heise spricht, war die Schlüsselfrage des Verfahrens - und wird es möglicherweise auch bleiben. Heise ließ im Gerichtssaal offen, ob er Revision einlegen wird. "Das hängt vom Willen meines Mandanten ab", betonte er. In seinem Plädoyer war der Anwalt dafür eingetreten, über diese Frage "erst dann zu entscheiden, wenn sie ansteht". Das obliege nach Ablauf der mit dem Urteil "Lebenslang" verbundenen Mindeststrafe von 15 Jahren dann einer Strafvollstreckungskammer, erklärte Heise. Die werde aber ohnehin die jetzt schon angeordnete Sicherungsverwahrung alle zwei Jahre überprüfen. "Das Urteil muss nicht heißen, dass Herr K. tatsächlich bis zu seinem Tod im Gefängnis sitzt."
Das hatte auch Richter Hans Jagenlauf in seiner Urteilsbegründung betont. Obwohl es in der Öffentlichkeit "einen hohen, auch über gewisse Medien noch verstärkten Druck" gebe, Kindermörder und Kindervergewaltiger "einfach automatisch dauerhaft wegzusperren", dürfe und habe sich seine Kammer davon nicht beeindrucken lassen. "Die Sicherungsverwahrung ist alles andere als ein Selbstläufer", sagte Jagenlauf. Sie sei juristisch "sehr diffizil". Im Falle Uwe K. habe es aber "keine andere Wahl" gegeben.
Uwe K. neigt zu "eingeschliffenen Mustern"
Es gebe, so Jagenlauf, im Verhalten des Angeklagten ein "eingeschliffenes Muster". Uwe K. neige offensichtlich dazu, in Krisensituationen und unter Alkoholeinfluss Straftaten zu begehen. Auch der rennommierte Gerichts-Psychiater Hans-Jürgen Kröber hatte K. in seinem Gutachten attestiert, Krisen auszusitzen oder zu verdrängen und zum Alkohol zu greifen, obwohl er wisse, dass damit seine "innere Ampel" für Missbrauch auf Grün schalte. Damit, betonte Jagenlauf, sei die Voraussetzung für eine Sicherungsverwahrung erfüllt, für die das Gesetz einen erkennbaren Hang zu Straftaten fordert. Dies habe der Angeklagte selbst eingeräumt, in dem er in seinem Geständnis erklärte, den "Kampf verloren" zu haben.
Auch wenn Jagenlauf das nicht explizit sagte: Die zu Prozessbeginn von Verteidiger Malte Heise zu Gunsten Uwe K.s herausgearbeiteten langen Zeiträume, in denen er sowohl mit seiner mehrfach gutachterlich attestierten Pädophilie als auch seiner Alkoholsucht halbwegs kontrolliert umgehen konnte, dürften in der Gesamtschau für die Kammer eher noch ein Beleg für die latente Gefährlichkeit des Angeklagten gewesen sein.
Eltern brauche wohl noch weiter psychologische Betreuung
Während Heise offen gelassen hatte, ob er für Uwe K. eine Revision anstrebt, rechnet Ina Alexandra Tust damit. "Es ist die härteste denkbare Strafe. Mehr geht nicht", sagte die Anwältin, die Mitjas Eltern als Nebenklägerin vertreten hatte. Sie war unmittelbar nach der Urteilsverkündung aus dem Gerichtssaal gegangen, um ihre Mandanten telefonisch zu informieren. Zwar empfänden Mitjas Eltern die Strafe als "gewisse Genugtuung". Aber bereits zum Auftakt des Prozesses hatte die Anwältin angedeutet, dass sich die Eltern des ermordeten Neunjährigen zwar von der Familie und ihrem Umfeld gut aufgefangen fühlten, möglicherweise aber noch längerer psychologischer Betreuung bedürften.
Kein Urteil, "auch dieses nicht", könne den Verlust eines Kindes ausgleichen, hatte auch Richter Hans Jagenlauf in seinem Schlusswort betont. Uwe K. werde mit der Schuld leben müssen, die er auf sich geladen habe. Und niemand könne sagen, ob er noch einmal irgendwann die Chance auf ein "normales Leben" bekomme. Derzeit jedenfalls sei das aus Sicht der Kammer "nicht der Fall". Selbst für K's Verteidiger sind die Anforderungen an seinen Mandanten hoch: "Voraussetzung dafür, nicht für immer weggesperrt zu bleiben, ist es, dass Herr K. eine vollständige Offenheit zu seiner Tat entwickelt.", sagte Heise. Dies sei in seinen Augen noch ein schwerer Weg, auf dem K's Geständnis, "so lückenhaft es im Detail sein mag", immerhin ein erster Schritt gewesen sei.