Adelheid S. will die Sache ganz offensichtlich schnell hinter sich bringen. Mit weiten Schritten rauscht die kräftige, schwarzhaarige Mittfünfzigerin durch den großen Saal des Leipziger Landgerichts, schiebt den Zeugenstuhl energisch nach hinten Als der Vorsitzende Richter Hans Jagenlauf sie über ihre Rechte und Pflichten als Zeugin belehrt, nickt sie, fast ungeduldig. Als Ex-Frau des reglos und bleich auf der Anklagebank sitzenden Uwe K. muss sie nicht viel mehr als ihre Personalien angeben. Jagenlauf hat kaum angehoben zu fragen, ob sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen möchte, da wippt der schwarze Lockenkopf wieder eifrig. Nein, sagt Adelheid S., sie wolle keine weiteren Angaben machen. Und nein, auch ihre bei der Polizei protokollierten Aussagen über die immerhin zwölfjährige Ehe und das Zusammenleben mit Uwe K. sollen im weiteren Verlauf des Prozesses nicht verwendet werden. Und - das dritte und letzte Nein - Kosten seien ihr nicht entstanden, eine Auslagenerstattung mithin nicht nötig.
Alkoholkonsum wird zunächst weniger
Nach nicht einmal drei Minuten ist der Zeugenauftritt der Adelheid S. damit beendet. Sie verlässt den Saal, ohne ihren Ex-Mann eines Blickes zu würdigen. Dabei hätte die Frau, die Uwe K. 1989 kurz vor der Wende in der geschlossenen Psychatrie in Altscherbitz bei Leipzig kennenlernte - sie arbeitete dort als Küchenhelferin - wohl durchaus ein positiveres Bild des mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs Vorbestraften zeichnen können, als sich die Öffentlichkeit momentan macht.
Das Paar, das kurz nach K.s Entlassung heiratete, war zwar nach stern-Recherchen öfter an den Trinkertreffpunkten der Umgebung anzutreffen. Aber immerhin bleibt der nach der Hochzeit fast acht Jahre straffrei und arbeitet, mehr oder weniger regelmäßig, unter anderem beim Abriss von Chemieanlagen, als Fahrer einer Drückerkolonne und als Koch. Auch der Alkoholkonsum wird weniger - Adelheid macht massiven Ärger, wenn K. schon mittags betrunken ist.
Malte Heise, der Anwalt des Angeklagten, kennt die Polizeiprotokolle. Und kann sich deshalb lebhaft vorstellen, warum Adelheid S. lieber schweigen wollte. Sein Mandant, deutet er an, wäre in ihren Augen, aus heutiger Sicht, wohl zu gut weggekommen.
Kaum positive Eigenschaften
Diese Gefahr besteht bei Isabelle S. nicht. Uwe K´s Ex-Freundin, mit der er eine Tochter hat, hat für die Zeugenaussage ihren Anwalt mitgebracht. Die 28-Jährige verbirgt ihr Gesicht hinter einer Sonnenbrille, die sie erst beim Betreten des Saales in die Haare schiebt. Die Augen sind leicht gerötet, schimmern ein wenig. Auch Isabelle S. bemüht sich merklich, nicht in Richtung Anklagebank zu schauen. Uwe K, den sie 2001 bei einer ABM-Maßnahme im Schulzoo kennenlernte, war ihr erster Mann. Nur jetzt, im Nachhinein, fallen ihr auch auf engagierte Nachfragen Malte Heises kaum wirklich positive Eigenschaften ein. "Er konnte gut reden", sagt sie, zuckt mit den Schultern. Und habe ihr, die damals noch bei den Eltern wohnte, schöne Komplimente gemacht.
Auch das spätere Zusammenleben - immerhin mehr als fünf Jahre - sei am Anfang recht harmonisch gewesen. K., arbeitet Anwalt Heise heraus, habe gekocht, öfter Gitarre gespielt, Ideen für gemeinsame Unternehmungen gehabt. Nur eben, ergänzt Isabelle S., sie auch kontinuierlich belogen. Dass K. schon zu DDR-Zeiten wegen sexuellen Missbrauchs mehrfach verurteilt worden war, habe er ihr bis auf einen Fall verschwiegen. Selbst als K.s Bewährungshelferin sie bei einem Hausbesuch fragte, ob sie über alles Bescheid wisse, habe er für sie geantwortet. "Ich habe nur genickt", sagt S. Und Gespräche mit Sexual-Therapeuten an der Universität Leipzig - eine von vielen Bewährungsauflagen, habe er damit erklärt, dass er eben als kleines Kind selbst missbraucht worden sei.
Gelogen habe ihr Freund zunächst auch über seinen Alkoholkonsum, erzählt S. Später dann habe er sich immer öfter in den nur ein paar hundert Meter von der gemeinsamen Wohnung entfernten Schrebergarten zurückgezogen, um zu trinken und sei zum Ausschlafen ins Bett gefallen. Viel anderes, erzählt Isabelle stockend, lief dort seit ihrer Schwangerschaft ohnehin nicht mehr. Früher habe sie gerne und öfter mit Uwe K. geschlafen, sich in gleichem Maße, wie der Bier- und Schnaps-Pegel stieg, aber verweigert.
Auch die Geburt der gemeinsamen Tochter habe an der Situation nicht viel geändert. K. habe mit dem Kind nichts anfangen können. Einmal habe er der Tochter eine Computertastatur vor die Füße geworfen. Sie solle sich doch damit beschäftigen. Im Streit um das Umgangsrecht, der nach dem Beziehungs-Aus zwischen Uwe K. und Isabelle S. entbrannte, hat ihre Anwältin daraus offenbar eine "Gewalttätigkeit" gemacht. Geschlagen, sagt Isabell S., habe K. sie oder das Kind aber nie.
Einen einzigen Auslöser für die Trennung Ende September 2006, die K. laut Verteidiger Malte Heise in die "desolate Lebenssituation" brachte, in der er Mitja ermordete, kann Isabelle S. nicht nennen. "Wir haben uns auseinandergelebt." So gründlich, dass sie erst wieder im Februar ein Lebenszeichen von Uwe K. zu Gesicht bekam: das Fahndungsfoto aus der Straßenbahn, das den Ex-Freund mit seinem späteren Opfer zeigt.