Mordprozess gegen zwei 20-Jährige Warum wurde Maria - schwanger, 19 Jahre - erstochen und verbrannt?

Von Samuel Rieth
Eren T. soll seine Ex-Freundin bei lebendigem Leib verbrannt haben - weil sie schwanger war und er das Kind nicht wollte. Jetzt stehen er und sein mutmaßlicher Komplize in Berlin vor Gericht.

Wie ein Mörder sieht Eren T. nicht aus. Schmächtig wirkt er, wie er neben seinen Anwälten sitzt. Er sieht jünger aus als seine 20 Jahre. Oft wippt er unter dem Tisch mit den Füßen, wie ein Schuljunge, dem der Unterricht nicht schnell genug vorbeigeht. Doch Eren T. sitzt nicht im Klassenzimmer, sondern auf der Anklagebank.

Ein Donnerstagabend im Januar. Eren T. will seine Ex-Freundin töten, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Sie ist schwanger von ihm, achter Monat. Sie will das Kind, er nicht. Also besorgen er und sein Kumpel Daniel M. ein Messer, einen Teleskopschlagstock und einen Kanister Benzin. Unter einem Vorwand locken die beiden jungen Männer Maria P. in ein Waldstück in Berlin-Adlershof. Mit dem Stock schlagen sie auf die 19-Jährige ein, mit dem Messer stechen sie zu, zweimal. Einer hält sie fest, der andere übergießt sie mit Benzin. Maria P. ist noch bei vollem Bewusstsein, als sie verbrennt. Mit ihr stirbt das ungeborene Mädchen in ihrem Bauch.

So steht es in der Anklageschrift. Jetzt, rund acht Monate später, hat vor der Jugendkammer des Berliner Landgerichts der Prozess gegen Eren T. und Daniel M. begonnen.

"Wir sind Maria" steht auf ihren T-Shirts

Das Interesse an der Verhandlung ist groß: Vor dem Saaleingang warten Journalisten mit Kameras, und die Plätze für Zuhörer sind fast alle besetzt. Zwei Frauen tragen T-Shirts, auf denen "Wir sind Maria R.I.P." steht. Für rest in peace, ruhe in Frieden.

Fünf Männer und Frauen - drei Richter, zwei Schöffen - müssen nun herausfinden, was in jener Winternacht geschehen ist. Die Angeklagten werden ihnen nicht dabei helfen, sie wollen nicht aussagen. Drei Zeugen vernimmt das Gericht an diesem ersten Prozesstag: Sie waren nicht dabei, damals im Wald, aber sie haben viel zu erzählen über die Hilfsmittel, die Eren T. und Daniel M. verwendet haben sollen, um Maria P. zu ermorden.

Der Lieferwagen. Mit ihm sollen die mutmaßlichen Täter und ihr Opfer in den Wald gefahren sein. Sie liehen das Auto, einen weißen Renault Trafic, von einem ehemaligen Kollegen von Daniel M.s Vater aus. Für einen Umzug, sagten sie. Stundenlang blieben sie weg und gingen irgendwann auch nicht mehr ans Handy. Der Besitzer alarmierte die Polizei, vielleicht waren die beiden mit dem Wagen abgehauen oder hatten einen Unfall gebaut. Schließlich fand er sie auf einem Parkplatz, mit dem Auto. "Ich war bei der Polizei", sagte er. "Jetzt seid ihr dran." Da seien sie bleich vor Schreck geworden.

"Mit Kindern ist der super"

Der Schlagstock. Daniel M. fuchtelte damit vor dem Bruder seiner Freundin herum. Die Waffe brauche er für einen Security-Job. Den Job habe er irgendwann nicht mehr gehabt, sagt der Bruder. Aber den Schlagstock habe er behalten. Daniel M. lebte immer wieder bei der Familie seiner Freundin Cindy, mit ihr hat er zwei Kinder. Die eigene Mutter habe ihn mit 15 Jahren vor die Tür gesetzt. Wegen seiner Wutanfälle, erzählt Cindys Mutter.

Cindy und Daniel M. hätten sich immer wieder angebrüllt. Aber sonst weiß ihre Mutter nur Gutes über ihn zu berichten. "Mit Kindern ist der super", sagt sie. "Wir waren wie eine Familie." Sie erzählt von harmonischen Spieleabenden. Der mutmaßliche Mörder einer Schwangeren - angeblich ein Vorzeigevater. Was sie an ihm sympathisch fand? "Dass er ehrlich war." Das sagt sie, obwohl sie weiß, dass Daniel M. offenbar kurz vor der Tatnacht ihren Akkuschrauber und anderes Werkzeug gestohlen und für 50 Euro verkauft hat.

Und das Messer. Das war auch weg. Cindys Mutter merkte es erst, als die Polizei ihr ein Foto zeigte, von einem Brotmesser mit blau-weißem Griff. Das ist doch meins, dachte sie. Zu Hause schaute sie nach: Alle Messer am Platz - bis auf eines. "Es war das schärfste, was ich hatte", sagt sie.

Angeblich habe er nur helfen wollen

Auch Daniel M. ist 20 Jahre alt. Anders als Eren T. ist er schon mit dem Gesetz in Konflikt gekommen: Diebstahl, Körperverletzung. Er hat kurze rötliche Haare, ein rundes Gesicht und einen stämmigen Körper. Zwar verweigert er die Aussage, doch in der Untersuchungshaft hat er eine Erklärung geschrieben. Handgeschrieben, 26 Seiten. Zwei Richter lesen sie vor.

Schon gleich nach der Tat hatten sich die beiden Angeklagten gegenseitig beschuldigt. Und auch in der Erklärung heißt es: Eren T. habe schon lange davon geredet, Maria umbringen zu wollen. Er habe gefragt, wo er eine scharfe Waffe herbekomme oder eine Machete. Im Januar habe er gesagt, er wolle seine Ex-Freundin schlagen, damit sie das Kind verliert. Im Wald sei Daniel M. dem schreienden Mädchen nur zu Hilfe geeilt. Er habe sie verteidigen wollen, mit dem Brotmesser in der Hand. Aber in der Dunkelheit habe die Klinge dann statt Eren Maria getroffen.

Gerechtigkeit braucht Zeit

Insgesamt 70 Zeugen erwähnt die Anklageschrift, vielleicht werden nicht alle vernommen, vielleicht aber auch noch mehr. Sie werden auch über Eren T.s Umfeld aussagen. Viel ist nach der Tat geschrieben worden über dessen türkische Familie. Er dürfe kein uneheliches Kind mit einer Deutschen haben, das soll vor allem Erens Vater gefordert haben.

"Im Amiland hätten sie die Todesstrafe gekriegt", sagt eine Zuschauerin in einer Pause. Vielen im Publikum ist anzumerken, dass sie nichts gegen ein solches Urteil hätten. Doch auf die Frage nach Gerechtigkeit gibt es keine einfache Antwort. Und um sie zu finden, brauchen die Richter vor allem eines: Zeit. Der erste Verhandlungstag ist vorüber - zehn weitere sollen noch folgen.

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