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Neues Plagiats-Wiki "VroniPlag" Hat auch Edmund Stoibers Tochter abgeschrieben?

Karl-Theodor zu Guttenberg lässt grüßen: Seit einigen Tagen existiert "VroniPlag". Dort wird die Doktorarbeit von Veronica Saß nach Plagiaten durchforstet. Es gibt schon eine ganze Menge Fundstellen.
Von Niels Kruse

Gibt es einen Plagiatsfall in einer zweiten bekannten bayerischen Familie? Veronica Saß, Anwältin für Erbrecht, ist die Tochter von Edmund Stoiber. Gegen sie steht der Vorwurf im Raum, dass sie Teile ihrer Doktorarbeit abgeschrieben haben soll. Veronica Saß hat auf mehrfache Anfragen von stern.de nicht reagiert. Die 33-Jährige hat im Jahr 2008 am rechtswissenschaftlichen Institut der Universität Konstanz promoviert. Thema ihrer Dissertation: "Regulierung im Mobilfunk". Diese Arbeit erlebt derzeit im Internet dasselbe, was mit dem Werk von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg geschah: Sie wird von einigen Plagiatsjägern akribisch Seite für Seite untersucht.

Nach dem Vorbild von "GuttenPlag Wiki" ist am Montag eine Seite online gegangen, die die Doktorarbeit auf verdächtige Stellen hin untersucht. Laut "VroniPlag Wiki", so heißt die Seite, wurden auf 90 der fast 400 Seiten umfassenden Dissertation Stellen gefunden, die abgeschrieben worden sein könnten. Allerdings stehen die Macher noch am Anfang ihrer Nachforschungen.

Was ist dran an den Vorwürfen? stern.de hat einige der auf VroniPlag aufgeführten Funde nachrecherchiert. Auffälligkeiten finden sich etwa auf Seite 43/44 ihrer Arbeit - es geht um die Versteigerung der UMTS-Frequenzen im Jahr 2000. Der gesamte Abschnitt "Teilnehmer" eines (mittlerweile aktualisierten) Wikipedia-Artikels findet sich fast wortgleich in der Dissertation von Veronica Saß wieder - ohne Verweis auf die Quelle.

Wikipedia (Version Mai 2007)

"Zugelassen zur Versteigerung wurden am 31. Mai 2000 11 Teilnehmer: DeTeMobil (T-Mobile), Vodafone, E-Plus, Viag Interkom (heute: O2), France Telecom/Mobilcom, Group 3G (Sonera/Telefonica), debitel, Hutchison Whampoa, MCI WorldCom, Vivendi, Auditorium Investments und Talkline. Bis zum Beginn der tatsächlichen Versteigerung reduzierte sich die Zahl allerdings noch: Vivendi, Talkline, Auditorium Investments und MCI WorldCom stiegen bereits im Juni komplett aus dem Verfahren aus, E-Plus und Hutchison gründeten im Juli ein Konsortium zur gemeinsamen Auktionsteilnahme. Somit traten letztlich sieben Teilnehmer (DeTeMobil, Vodafone,
E-Plus/Hutchison Whampoa, Viag Interkom, France Telecom/Mobilcom, Group 3G und debitel) an, um sechs Lizenzen zu ersteigern."
Saß-Dissertation

"Zugelassen zur Versteigerung wurden am 31. Mai 2000 elf Teilnehmer: T-Mobile, Vodafone, E-Plus, O2, France Telecom/Mobilcom, Group 3G (Sonera/Telefonica), debitel, Hutchison Whampoa, MCI WorldCom, Vivendi, Auditorium Investments und Talkline. Bis zum Beginn der tatsächlichen Versteigerung reduzierte sich die Zahl allerdings noch: Vivendi, Talkline, Auditorium Investments und MCI WorldCom stiegen bereits im Juni komplett aus dem Verfahren aus, E-Plus und Hutchison gründeten im Juli ein Konsortium zur gemeinsamen Auktionsteilnahme. Somit traten letztlich sieben Teilnehmer - T-Mobil, Vodafone,
E-Plus/Hutchison Whampoa, O2, France Telecom/Mobilcom, Group 3G und debitel - an, um sechs Lizenzen zu ersteigern."

Die letzten fünf Sätze auf Seite 44 sind nahezu identisch mit dem letzten Absatz eines Artikels, der im Februar 2007 bei "Merkur Online.de" erschienen ist - ebenfalls ohne Verweis auf die Quelle.

Merkur-Online

"Die UMTS-Erlöse wachsen zwar kräftig, haben aber bei allen vier Betreibern noch keine 10 Prozent der Umsätze erreicht. Vor allem Vodafone hat sich in Deutschland als das Unternehmen erwiesen, das am stärksten auf UMTS-Dienste setzt und sie in den Markt bringt. Am anderen Ende steht der Betreiber E-Plus, der sich weiterhin auf den klassischen Sprachdienst, einschließlich SMS konzentriert. Als die wichtigsten UMTS-Anwendungen gelten heute vor allem E-Mails, das Herunterladen von Musik aus dem Internet sowie mobiles TV. Die viel beschworene Videotelefonie hat sich bislang nicht durchgesetzt."
Saß-Dissertation

"Die UMTS-Erlöse wachsen zwar, haben aber bei allen vier Betreibern noch keine 10 % der Umsätze erreicht. Vor allem Vodafone hat sich in Deutschland als das Unternehmen erwiesen, das am stärksten auf UMTS-Dienste setzt und sie in den Markt bringt. Am anderen Ende steht der Betreiber E-Plus, der sich weiterhin auf den klassischen Sprachdienst, einschließlich SMS konzentriert. Als die wichtigsten UMTS-Anwendungen gelten heute vor allem E-Mails, das Herunterladen von Musik aus dem Internet sowie mobiles TV. Die viel beschworene Videotelefonie hat sich bislang nicht durchgesetzt."

Besonders auffällig sind die Seiten 289 bis 315. stern.de hat die Doktorarbeit an dieser Stelle mit einem Aufsatz von Jörn Kruse verglichen, der an der Bundeswehr-Universität Hamburg lehrt und 2003 den Beitrag "Verbindungsnetzbetreiberauswahl im Mobilfunk" verfasst hat. Der gesamte Aufsatz findet sich, bis auf wenige Kürzungen und Auslassungen, in der Doktorarbeit von Veronica Saß. Teilweise wurden selbst Fußnoten übernommen sowie die Gliederung und das Fazit Kruses. Die Autorin verweist zwar an einigen Stellen auf Bücher von Jörn Kruse - allerdings hätten eigentlich die gesamten 17 Seiten als Zitat kenntlich gemacht werden müssen. Geschah das auch, wie bei Guttenberg, alles nur unbewusst? Immerhin, und das dürfte bewusst geschehen sein, veränderte die Doktorandin den Namen der Telekom-Regulierungsbehörde, die 2003 noch RegTP hieß (und so auch bei Kruse genannt wird), in den jetzigen Namen Bundesnetzagentur.

An der Uni Konstanz wird ein Plagiatsfall geprüft

Seit dem 14. Februar dieses Jahres weiß die Uni Konstanz davon, dass es gegen eine Doktorarbeit Plagiatsvorwürfe gibt. Ob es sich dabei um die Arbeit der Stoiber-Tochter handelt, ist nicht bekannt. Eine Sprecherin der Hochschule will weder den Namen der betroffenen Arbeit noch den des Autoren bestätigen oder dementieren: "Aus Datenschutzgründen geben wir keine Namen an die Öffentlichkeit", sagt sie zu stern.de. "Der Promotionsausschuss ist in dieser Angelegenheit bereits zusammengekommen und es wurde mit einer umfassenden Prüfung der Arbeit begonnen", heißt es in einer Pressemitteilung der Universität. Laut der Sprecherin habe der oder die Betroffene zurzeit die Möglichkeit, zu dem Verdacht Stellung zu nehmen - anschließend würden die Gutachter der Dissertation angehört. Über die zeitliche Dauer des Verfahrens wollte sie sich nicht äußern.

Einer der Macher der Seite "VroniPlag Wiki", der anonym bleiben will und auch an "GuttenPlag Wiki" mitarbeitet, sagte stern.de auf Anfrage, wie er und seine Kollegen auf die Arbeit aufmerksam geworden seien: "Zunächst gab es einige vage Hinweise und nach ein paar Tagen Prüfung haben wir auch die ersten Stellen gefunden. Trotzdem wollte die Mehrheit im Chatroom der Sache zunächst nicht weiter nachgehen, da die Arbeit an GuttenPlag schon sehr zeitintensiv ist. Schnell wurde uns aber klar, dass da geschlampt worden sein muss: Denn die Autorin schreibt sehr viele Fachbegriffe aus, statt sie abzukürzen - was in akademischen Arbeiten unüblich ist."

"Die Arbeit ist noch schlechter als die von zu Guttenberg"

Auch habe die Promotion kaum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und sei noch schlechter als Guttenbergs Dissertation. Der habe wenigstens versucht, die Plagiate zu verstecken - im Gegensatz zur Verfasserin von "Regulierung im Mobilfunk". "Selbst Teile des Fazits, dem Kernstück jeder Doktorarbeit, das die Eigenleistung des Doktoranden zusammenfasst, sind plagiiert", so der "VroniPlag"-Mitarbeiter.

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