Im Hamburger Prozess um Schadenersatz in Millionenhöhe für eine 23 Jahre alte Frau aus Niedersachsen hat das Gericht zum Auftakt energisch für einen Vergleich plädiert. Die Klägerin müsse die geltend gemachten Forderungen in einigen Punkten allerdings noch besser begründen, betonte die Vorsitzende Richterin am Donnerstag. Die Prozessvertreter der beklagten Versicherung boten in der Verhandlung eine Einmalzahlung von etwa einer Million Euro sowie eine monatliche Rente "ohne Diskussion" bis ans Lebensende. Über die Höhe müsse allerdings noch verhandelt werden, sagte einer von ihnen. Der Anwalt der Klägerin sagte, man sei zu Vergleichsgesprächen bereit.
Seit 2004 pflegebedürftig
Die 23-Jährige, die seit einem Autounfall 2004 pflegebedürftig ist, möchte auf eine regelmäßige Rente verzichten und stattdessen mit Hilfe eines Anwalts eine sofortige Pauschalabfindung sämtlicher vermeintlicher Ansprüche von 7,2 Millionen Euro durchsetzen. Dies lehnt die Haftpflichtversicherung des Fahrers des damaligen Unfallwagens ab, gegen den die Frau ihre Forderungen richtet. Zudem bestreitet der in München ansässige Konzern die Richtigkeit einiger Berechnungen.
Wegen verschiedener Medienberichte über eine angeblich im Raum stehende Rekordforderung hatte der Prozess seit Tagen für Aufsehen gesorgt. Nach übereinstimmenden Angaben von Schadenersatzexperten und einer Gerichtssprecherin ist die Summe aber nicht ungewöhnlich und in vergleichbaren Fällen durchaus üblich. "Es gibt eine Vielzahl solcher Fälle. Auch die Forderungshöhe sticht nicht aus der Masse anderer Fälle heraus", sagte eine Hamburger Gerichtssprecherin.
Auf die Summe von 7,2 Millionen Euro kommt die Klägerseite allein dadurch, dass sie verschiedene Entschädigungspositionen wie etwa Pflegekosten, Verdienstausfall aufgrund von Erwerbsunfähigkeit bis ans Lebensende sowie Schmerzensgeld auf einmal ausgezahlt haben möchte. Üblicherweise fordern Geschädigte nur eine Teilsumme und lassen sich den Rest über Jahrzehnte in monatlichen Raten geben.
Das Gericht machte der Frau bei ihrer Kernforderung auf pauschale sofortige Abfindung sämtlicher vermeintlicher Ansprüche nur wenig Hoffnung. "Hier folgt die Kammer nicht der Rechtsauffassung der Klägerin", sagte die Vorsitzende Richterin. Man sehe die Dinge ähnlich wie der Versicherer. Denkbar sei allenfalls die Auszahlung eines Teilbetrags. Zudem empfahl sie der 23-Jährigen, die Vorteile einer geringeren Abfindungszahlung bei gleichzeitiger lebenslanger Absicherung durch eine verlässlich ausgezahlte monatliche Rente zu sehen. "Für sie entsteht so ein stressfreier Raum. Sie müssen nie wieder einen Briefwechsel mit der Versicherung führen", sagte sie.
Klägerin will Schlussstrich ziehen
Der Anwalt der Beklagten bestand dagegen vehement auf dem Recht seiner Mandantin, durch eine Einmalzahlung einen "Schlussstrich" zu ziehen. Er begründete dies unter anderem mit einem dringend nötigen Umzug in ein behindertengerechtes Haus, für den Kapital gebraucht werde. Zudem seien seine Mandantin und deren 56-Jährige Mutter, bei der die junge Frau seit ihrem Unfall lebt, dem psychischen Stress von möglichen Auseinandersetzungen mit der Versicherung dauerhaft nicht gewachsen. Nach dem ersten Verhandlungstag äußerte sich der Anwalt zurückhaltend. Man habe sich den Ablauf "etwas anders vorgestellt".
Die 23-Jährige aus Buchholz in der Nordheide war im Dezember 2004 bei einer Urlaubsreise in Italien verunglückt. Bei dem Unfall war sie aus einem Auto geschleudert worden, das von ihrem damaligen Mann gelenkt worden war und erlitt schwerste Kopfverletzungen. Bis heute ist zwischen der Klägerin und der Versicherung strittig, ob die Frau nicht angeschnallt war und deshalb ihre Unfallschäden teilweise mitverschuldet hat. Parallel zur Ankündigung neuerlicher Gespräche beauftragte das Gericht die beiden Seiten deshalb auch damit, sich auf einen Sachverständigen zu Klärung weiterer Details zu einigen.