Stalking-Opfer "Ich weiß, wo Ihre Kinder spielen"

Ein ganzes Dorf in Aufruhr: Seit Monaten terrorisiert ein Anrufer die Bürger von Rettert, einem 500-Seelen-Dorf in Rheinland-Pfalz. Mehrere Einwohner seien bereits krank geworden. Der Anrufer gilt als raffiniert.

Seit April terrorisiert ein Anrufer die Bürger von Rettert in Rheinland-Pfalz. Bis zu 100 Mal während 24 Stunden klingelt nach Aussage von Bürgermeister Ulrich Diefenbach bei manchen Einwohnern das Telefon. Heben sie ab, hören sie Drohungen wie "Ich weiß, wo Ihre Kinder spielen" und "Ihr Haus könnte angezündet werden". Rund 40 Haushalte des 500-Seelen-Dorfes sind davon betroffen. Mehrere Einwohner seien bereits krank geworden.

Ermittlungen gegen Mann aus Leipzig

Der Täter soll ein Mann aus Leipzig sein, der wohl schon vor zwei oder drei Jahren begann, in seiner Stadt eine Frau am Telefon zu belästigen. Diese zog schließlich nach Rettert und legte sich eine Geheimnummer zu. Ihr Verfolger, ein so genannter Stalker, begann daher, erst ihre Vermieterin und dann zahlreiche andere Bürger von Rettert anzurufen und nach der Nummer der Frau zu fragen. "Die Geheimnummer kennt hier aber wirklich niemand", betont eine 41-jährige Einwohnerin. Die Anrufe weiteten sich zum Telefonterror aus. Längst laufen gegen den Mann Ermittlungen.

"Dass ein ganzer Ort mit Stalking (Verfolgung, Belästigung) in Mitleidenschaft gezogen wird, habe ich noch nicht erlebt," sagt Oberstaatsanwalt Erich Jung in Koblenz. Die Ermittler prüften nun, welche Anrufe strafrechtlich relevant seien - wegen Beleidigungen, versuchter Nötigung oder versuchter Erpressung - und ob sie tatsächlich alle von dem Leipziger Tatverdächtigen stammten.

Das in Rettert zugezogene erste Stalking-Opfer verlor nach Aussage des Bürgermeisters wegen des Telefonterrors bereits einen Job. Der Anrufer gilt als raffiniert: Als ihm ein Retterter Einwohner Schläge androhte, zeichnete er das auf, schnitt diese Worte mit weiteren Sätzen zusammen und spielte sie anderen Bürgern im Dorf am Telefon vor - die Verwirrung war erst einmal groß. "Es ist wie im Film. Unsere Nerven liegen blank", sagt die 41-jährige Bürgerin.

Unterdessen haben sieben Familien in Rettert gegen den mutmaßlichen Täter Einstweilige Verfügungen mit der Androhung einer Geldbuße erwirkt. Dieser legte dagegen Widerspruch ein. Parallel zu den strafrechtlichen Ermittlungen soll es nun nach Angaben des Bürgermeisters vor dem Landgericht Koblenz zu einer zivilrechtlichen Verhandlung kommen.

Zypries will Gesetzesverschärfungen prüfen

Stalking ist in Deutschland in den vergangenen Monaten immer mehr als ernstes Problem registriert worden. Im Juli sicherte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) zu, mögliche Gesetzesverschärfungen zu prüfen. Allerdings seien die Opfer auch schon mit dem geltenden Recht geschützt, sagte die Politikerin. Hessen brachte jedoch kürzlich im Bundesrat eine Gesetzesinitiative ein, die Stalking mit bis zu zwei Jahren Gefängnis ahnden soll. In Amerika ist Stalking bereits ein Straftatbestand.

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Jens Albes/DPA

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