Crime Story Floreana

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  • von Peter Meroth
Sie sind Deutsche. Sie ziehen auf eine einsame Pazifik-Insel. Und sie leben dort ihren Aussteigertraum. Bis eines Tages der Tod ins Paradies kommt.
Dore Strauch und Friedrich Ritter
Dore Strauch und Friedrich Ritter
© Allan Hancock Foundation Archive

In den Tropen ist die Mittagsstunde eine Zeit der Ruhe. Kein Lufthauch mehr, der durch die Blätter rauscht, kein Rascheln im Unterholz. Seit Wochen peinigt eine Gluthitze die Insel Floreana. Die Äquatorsonne hängt wie Messing in einem Himmel aus Stahl. 

Da gellt ein Schrei durch die Stille. Ein lang gezogener, fast unwirklich schriller Schrei von panischem Entsetzen, unfassbarem Schmerz, verzweifeltem Todeskampf.

So plötzlich, wie er über die Insel hallte, erstirbt der Ton. Stille legt sich über die Szene. „Wie sich die Wogen über Ertrinkenden schließen“, schreibt Dore Strauch in ihren Erinnerungen. „Wir waren wie gelähmt. Uns gefror das Mark in den Knochen.“  Auch ihr Partner ist weiß wie ein Geist. Dr. Friedrich Ritter, Arzt und Philosoph, ein Mann, den nichts so leicht aus der Fassung bringt. Nach dem ersten Schock gehen Strauch und Ritter zur Grenze ihres Grundstücks, lauschen in die Wildnis. Wenn jemand verletzt ist – „Friedo“ wäre doch der erste Ort, um nach Hilfe zu suchen. Ja, ihr Haus, das sie „Friedo“ genannt haben, nach ihren Namen, Friedrich und Dore, sollte auch ein Hort des Friedens sein.  Vielleicht sogar ein Modell für eine bessere Welt. 

Schweigend warten die beiden Deutschen, ob sich Schritte nähern. Sie sind sicher, dass sie den Schrei einer Frau gehört haben. Schon seit einiger Zeit mehren sich die Zeichen, dass ihr kleines Paradies bedroht ist. Trotzdem – sie wollen ihren Traum, für den sie Berlin verlassen haben und in die ferne Einsamkeit gezogen sind, weiterträumen.

„Es ist die Hitze“, sagt Dore Strauch, als sie zum Haus zurückgehen, „unsere Nerven spielen uns einen Streich.“ Friedrich Ritter versucht sich an einer wissenschaftlich klingenden Erklärung. Es sei nicht ausgeschlossen, sagt der Doktor, dass extreme Wetterphänomene hier auf dem Galapagos-Archipel ein Geräusch atmosphärisch verzerren und verstärken könnten. „Aber wir beide wussten, dass wir uns nur gegenseitig beruhigen wollten“, erinnert sich Dore Strauch später.

Der Schrei verfolgt sie. Sie wird die düsteren Gedanken nicht wieder los. Sie notiert das Datum, 19. März 1934. Sie ist überzeugt: An diesem Tag ist der Tod auf die Insel gekommen.