Der Richter starb im Gericht. Erschossen. Und noch weiß niemand so recht, warum. Was die Ermittler zu wissen glauben: Der Sheriff soll's gewesen sein.
Die Bluttat, die seit Ende der Woche landesweit durch die US-Medien geht, erschüttert den Bundesstaat Kentucky, dessen Obersten Richter, den Gouverneur – und natürlich die Menschen in Whitesburg. Das Wort "Stadt" ist tatsächlich recht großzügig für den Ort in den dicht bewaldeten Hügeln der Appalachen. Nicht einmal 2000 Menschen leben hier, jeder kennt gefühlt jeden. Könnte man meinen.
USA: Polizist erschießt mutmaßlich Richter nach Streit
Es geschah am Donnerstagnachmittag. Wie das Lokalblatt "The Mountain Eagle" berichtet, betrat der 43-jährige Gesetzeshüter gegen 15 Uhr das Vorzimmer des Richters und verlangte von dessen Mitarbeitern, seine Ehren unter vier Augen zu sprechen. Dann sei er in dessen Büro gegangen, habe die Türen geschlossen. Ein kurzer Streit folgte, dann fielen Schüsse. Kurz darauf sei der Polizist wieder aus dem Büro gekommen – mit erhobenen Händen.
Das 54-jährige Opfer starb noch vor Ort, verletzt wurde sonst niemand. Eine nahegelegne Schule sei kurzfristig geschlossen worden, berichten Medien. Der mutmaßliche Täter habe sich widerstandslos festnehmen lassen.
Was war da passiert?
Sheriff war für Sicherheit des Richters verantwortlich
Fest steht: Die beiden, das Opfer und der mutmaßliche Täter, sie kannten sich. Sie arbeiteten jahrelang zusammen, berichtet die "Washington Post". Der Sheriff soll dem Bezirksgericht unter anderem als Gerichtsvollzieher gedient haben. Makaber: Er war offenbar für die Sicherheit des Richters verantwortlich. Letzterer war angeblich beliebt im Bezirk, konzentrierte sich vor allem auf Drogendelikte. CNN zufolge soll er dabei Hunderten Süchtigen geholfen haben, eine Behandlungsplatz zu erhalten.
"Als sie mir erzählten, was passiert war, dachte ich, es wäre ein Traum", zitiert die "Washington Post" einen inzwischen pensionierten Kollegen des Angeklagten.
Hängt ein anderer Fall mit dem Mord zusammen?
Was den inzwischen wegen Mordes angeklagten Polizisten zu seiner Tat bewogen haben könnte, ist noch völlig unklar. Immerhin taucht dessen Name in Gerichtsakten zu einem Fall von 2022 auf. In der Klage behauptet eine Frau, ein Kollege des Sheriffs habe sie zum Sex erpresst, als sie die Gebühren für eine ihr auferlegte elektronische Fußfessel nicht habe bezahlen können.
Was der tote Richter damit zu tun hat? Der beschuldigte Polizist habe sich an der Frau über sieben Monate mehrfach in einem Raum vergangen, von dem er wusste, dass er nicht kameraüberwacht wurde – das Büro des Bezirksrichters. Der Angeklagte schloss einen Vergleich, bekannte sich Medienberichten zufolge in mehreren Punkten schuldig, bestritt andere. Er verbrachte sechs Monate hinter Gittern.
Mitschuld war laut der Meinung des Opfers damals aber auch der nun wegen Mordes angeklagte Polizist. Der habe seinen Mitarbeiter "nicht angemessen ausgebildet und beaufsichtigt" und "wusste oder hätte wissen müssen", was ihr bevorstand. Noch diese Woche machte er deswegen eine Aussage vor Gericht.
Offiziell haben die beiden Fälle bislang nichts miteinander zu tun. Die Generalstaatsanwaltschaft von Kentucky hat übernommen, der erste Gerichtstermin ist für den 25. September angesetzt.
Quellen: "The Mountain Eagle"; CNN; BBC; "Washington Post"