Die Sorge um die seit über einer Woche vermissten Schweizer Zwillinge Alessia und Livia nimmt zu. Die Mutter der beiden Sechsjährigen habe per Post das Geld erhalten, das ihr Mann in Marseille kurz vor seinem Selbstmord in Italien abgehoben habe, teilte der Bruder der Mutter am Dienstag in St-Sulpice, dem Heimatort der Mädchen, mit. Damit habe sich die Hoffnung zerschlagen, der 43-Jährige habe einen Babysitter angeheuert.
Nach Angaben von Valerio Lucidi trafen bei der Mutter mehrere Umschläge mit 50 Euro-Scheinen im Gesamtwert von rund 5000 Euro ein. Sie tragen demnach die Handschrift ihres Mannes, ein Schreiben lag aber nicht bei. Aufgegeben wurden die Umschläge laut Lucidi in Cerignola, dem Ort im süditalienischen Apulien, in dem sich der 43-Jährige vergangenen Donnerstagabend vor einen Zug geworfen hatte. "Wir sind sehr besorgt, denn damit stimmt die Hypothese nicht mehr, dass er jemanden bezahlt hat, um auf die Kinder aufzupassen", sagte Lucidi. "Wir fürchten das Schlimmste."
Alessia und Livia waren vermutlich von ihrem Vater entführt worden. Zuletzt wurden sie am 30. Januar in ihrem Schweizer Heimatort St-Sulpice am Genfer See nahe Lausanne gesehen. Wie Lucidi sagte, hatten die Eltern, offenbar beide Angestellte des Tabakherstellers Philip Morris, an diesem Tag SMS ausgetauscht, in denen der Vater schrieb, er werde die Zwillinge am nächsten Morgen direkt in die Schule bringen. Einen Tag später schrieb er aus Marseille jedoch in einer Karte an seine Frau, er sei verzweifelt und wolle ohne sie nicht leben.
Am 3. Februar beging er in Italien Selbstmord. Die 44-jährige Italienerin hatte sich von ihm getrennt. Beide lebten in St-Sulpice, der Vater kümmerte sich am Wochenende um die Kinder. Inzwischen mehren sich die Hinweise, dass der 43-jährige Ingenieur kanadischer Abstammung bei seiner Flucht im Wagen seiner Frau quer durch Frankreich und Italien allein war. Während die Ermittler seine Spur über Marseille und Neapel bis Cerignola verfolgen können, gab es keinen Zeugen, der die beiden blonden Mädchen in seiner Begleitung gesehen hätte.
Wie der Staatsanwalt von Marseille, Jacques Dallest, am Dienstag mitteilte, nahm der Vater in Marseille eine Fähre, die nach Korsika und weiter nach Sardinien führt. Demnach ist aber noch offen, ob er dabei in Begleitung seiner Töchter war und ob er in Korsika oder in Sardinien an Land ging. Nach Angaben von Lucidi waren die Pässe und Personalausweise der Kinder bei der Mutter geblieben. Wie die Staatsanwaltschaft von Marseille mitteilte, ließ der Mann zudem die Kindersitze seiner Töchter und ihre Kleidung zu Hause.