"Katrina"-Opfer Pannen, Versäumnisse und Wut auf Bush

Die "Katrina"-Opfer fühlen sich betrogen, knapp ein halbes Jahr nach der Hurrikan-Katastrophe im Süden der USA sind die Schäden noch allgegenwärtig. Und es gibt keinen Plan für den Wiederaufbau.

Fünf Monate nach "Katrina" und vier Monate vor Beginn der neuen Hurrikan-Saison könnten Frust und Zorn in den Sturmgebieten im Süden der USA kaum größer sein. Noch immer leben zehntausende vertriebene Menschen in Hotels, türmen sich Schutt und schimmelnder Müll meterhoch auf, ist ein Großteil der Krankenhäuser und Schulen geschlossen. Es gibt weiterhin keinen konkreten Plan für den Wiederaufbau von New Orleans, und wenn es ihn gäbe, würde das wenig nützen - denn es ist unklar, wer das alles bezahlen soll. Für die anhaltende Misere wird vor allem die Regierung in Washington verantwortlich gemacht. Ihr wird angelastet, Versprechen nur teilweise oder gar nicht eingehalten zu haben. Und wenn Hilfe komme, dann im Kriechtempo.

Inzwischen geben auch immer mehr republikanische Parteifreunde von Präsident George W. Bush zu, dass Probleme existieren. Konkret gibt es zu viele bürokratische Hemmnisse und zu wenig Koordination bei der Aufgabenverteilung und Auftragsvergabe. Zudem sind die Kosten - etwa bei der Beschaffung von Wohnmobilen - unterschätzt worden. Dass es nicht schnell genug vorangeht, räumte kürzlich auch First Lady Laura Bush bei einem Besuch in der Region ein - und zog sich den Zorn der Zuhörer zu, als sie hinzufügte: "So arbeiten Regierungen halt."

Geschürt wird die Wut auf Washington auch durch immer neue Nachrichten über Pannen und Versäumnisse vor und nach "Katrina". So wurde vor wenigen Tagen bekannt, dass das Weiße Haus 48 Stunden vor dem Eintreffen des Hurrikans am 29. August vor dem wahrscheinlich katastrophalen Ausmaß des Sturms gewarnt wurde - und nicht handelte. Dann erfuhr die Bevölkerung, dass das US-Innenministerium unmittelbar nach "Katrina" mit Ausrüstung und Personal aus eigenen Ressourcen helfen wollte, die Behörde für Katastrophenmanagement das Angebot aber ignorierte. Der US-Senat untersucht zurzeit, was alles schief ging. Dennoch werden wohl viele Fragen unbeantwortet bleiben: Die US-Regierung hat wichtigen Mitarbeitern unter Hinweis auf den Schutz der Vertraulichkeit interner Gespräche eine Zeugenaussage verboten.

Wut auf Bush

Besonders der jüngste Rückzieher des Präsidenten hat dazu geführt, dass sich US-Bürger wie der Bauarbeiter Eric Lewis aus New Orleans von der Regierung "völlig im Stich gelassen" fühlen. Auch Kellner Sean Collins sieht sich "wie ein Stück Dreck" behandelt. Denn der Präsident lehnt entgegen früheren Aussagen einen von einem republikanischen Parteifreund entwickelten und von weiten Teilen des US-Kongress unterstützten Plan ab, nach dem die Regierung beschädigte Häuser im Raum New Orleans aufkaufen sollte. Das hätte den Eigentümern Mittel zum Neubau in die Hände gegeben.

Stattdessen will die Regierung, dass die zur Verfügung gestellten 6,2 Milliarden Dollar (etwa 5,1 Milliarden Euro) für den Wiederaufbau von 20.000 Häusern ausschließlich in Gebieten verwendet werden, in denen keine Bundesversicherung gegen Überflutungsschäden zur Verfügung stand. Damit gehen die Eigentümer von 185.000 weiteren zerstörten oder beschädigten Häusern in der Region leer aus. Die Regierung in Washington verstehe anscheinend nicht, wie sehr die Bevölkerung in Louisiana leide, kommentiert die demokratische Gouverneurin Kathleen Blanco bitter. "Man hat uns eine Leiter gegeben, aber die obersten Sprossen fehlen. Wir können ein Zwölf-Milliarden-Dollar-Problem nicht mit sechs Milliarden lösen."

Soforthilfe erreichte viel zu wenig Menschen

Auch die Zeitungen sind voll von kritischen Kommentaren über das, was bisher erreicht wurde. Danach erhielten beispielsweise bisher nur 57 Prozent aller von "Katrina" vertriebenen Bezugsberechtigten die ihnen in Aussicht gestellte Soforthilfe. 75.000 "Katrina"-Flüchtlinge leben weiter in Hotels. Immer noch türmen sich 23 Millionen Kubikmeter Schutt auf - der "Washington Post" zufolge genug, um das Pentagon um 50 Stockwerke zu erhöhen. Nur 15 Prozent der Schulen, 32 Prozent der Kliniken und 33 Prozent der Lebensmittelläden im Raum New Orleans sind wieder geöffnet.

Sieht ein Geschichtsprofessor die Menschen in New Orleans behandelt "wie ein weggeworfenes Kleenex", fühlt sich die US- Regierung zu Unrecht kritisiert. Immerhin wurden bisher 85 Milliarden Dollar an Gesamthilfe für die Katastrophengebiete locker gemacht - "eine Stange Geld", wie Bush kürzlich sagte.

DPA
Gabriele Chwallek/DPA

PRODUKTE & TIPPS