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Anschläge in Paris Das Bataclan war kein zufälliges Ziel

Der Anschlag auf die Pariser Konzerthalle Bataclan hatte einen antisemitischen Hintergrund. Womöglich auch der auf das Café Belle Equipe. Allein am Sonntag und Montag sind 46 Franzosen nach Israel ausgewandert.
Von Sophie Albers Ben Chamo

Die Konzerthalle Bataclan, in der vier Terroristen mit Schnellfeuergewehren am Freitagabend mindestens 90 Menschen ermordet und Hunderte verletzt haben, ist seit Jahren immer wieder von antisraelischen und antisemitischen Gruppierungen attackiert worden. Das 150 Jahre alte Unterhaltungs-Etablissement wurde erst vor zwei Monaten verkauft, nachdem die Besitzer Pascal und Joel Laloux nach Israel ausgewandert sind.

Unter anderem die französische Zeitung "Le Point" berichtet von verschiedenen Demonstrationen vor dem Bataclan seit 2007. Grund waren regelmäßige Spenden-Veranstaltungen der rechten, jüdischen Organisation Migdal im Bataclan zur Unterstützung des Magav, des israelischen Grenzschutzes.

Bereits im Jahr 2011 drohte aus Demonstrationen Gewalt zu werden: Im Rahmen der Ermittlungen zu einem islamistischen Bombenanschlag in Ägypten gab es ein Geständnis, dass "die Armee des Islam" auch einen Anschlag auf das Bataclan geplant habe, weil die Besitzer Juden seien. Wie auch bei den Anschlägen vom Freitag führte die Spur damals nach Belgien. Im selben Jahr war Leloux tatsächlich von mit Palästinensertüchern vermummten Männern bedroht worden: "Nächstes Mal kommen wir nicht, um zu reden."

Der ehemalige Besitzer Joel Laloux sagte im Gespräch mit dem israelischen Fernsehen "Channel 2", dass er gerade mit seinen ehemaligen Kollegen im Club telefoniert habe, als die Terroristen angriffen. "Ich habe die Schüsse gehört." 

Vom Bataclan zum Belle Equipe

Der Name Bataclan stammt übrigens aus einer Operette von Jacques Offenbach, Sohn eines Synagogen-Kantors aus Deutschland. "Ba-ta-clan", was in etwa so viel bedeutet wie "all that jazz" - war Mitte des 19. Jahrhunderts der erste erfolgreiche Song des Komponisten. Der Text stammte von Ludovic Halévy. Die trashige Show erzählt unter anderem von einer jungen Dame, die von den Soldaten eines falschen Kaisers gefangen genommen wird, als sie für die hohe Theaterkultur Frankreichs wirbt. Das Theater Bataclan wurde keine zehn Jahre nach der Premiere eröffnet. Joel und Pascal Laloux' Vater Elie Touitou hatte es 1976 gekauft.

Auch der Hauptbesitzer des angegriffenen Cafés "Belle Equipe" ist Jude. Gregory Reibenbergs Frau starb im Kugelhagel. Mit 18 anderen Menschen. Darunter die muslimische Mitbesitzerin Hodda Saadi. Wie "Times of Israel" berichtet, feierte deren Schwester Halima am Freitagabend ihren 36. Geburtstag und war extra aus dem Senegal angereist. Auch ihr Bruder Khaled war da, der in dem Café kellnert. Er hat den Anschlag überlebt und vergeblich versucht, seine Schwestern zu retten. "Schwarze waren hier, Araber, Juden." Die Terroristen "haben uns alle getroffen. Wir sitzen alle im selben Boot", zitiert "Times of Israel" Abdallah Saadi, den Bruder von Khaled, Hodda und Halima, der in Tunesien lebt und sofort nach Paris gekommen ist, als er von den Anschlägen erfuhr. "Wir müssen füreinander kämpfen und einander helfen."

Die größte jüdische Gemeinde Europas

In Paris lebt die größte jüdische Gemeinde Europas: etwa eine halbe Million Menschen. Allein in diesem Jahr sind rund 6000 französische Juden nach Israel ausgewandert. Sonntag und Montag sollen es laut Angaben der israelischen Einwanderungsbehörde The Jewish Agency 46 gewesen sein. Dutzende weitere haben ihr Kommen für diese Woche angekündigt.

Oren Giorno, Vorsitzender der Jugendorganisation der Pariser jüdischen Gemeinde ließ sich von der "Jerusalem Post" allerdings mit den Worten zitieren: Das Leben in Paris fühle sich nun "mehr nach Israel an. Dieses Gefühl, dass du die Straße entlang gehst, und du weißt nicht, woher es kommen wird, aber es kann kommen, und wir glauben, dass es wieder passieren wird."

Krise der Demokratie

Am Samstag sei die große Synagoge nach reiflicher Überlegung und unter großen Sicherheitsvorkehrungen geöffnet gewesen, denn "das Leben muss weitergehen, und es ist sehr jüdisch, zuerst ans Leben zu denken", so Giorno. Die jüdische Gemeinde wolle ihre Solidarität mit den Opfern der Angriffe ausdrücken. "Um zu zeigen, dass uns Frankreich und seine Menschen wichtig sind, und das wir weiterhin erhobenen Hauptes unser Leben leben."

Nach den Anschlägen auf "Charlie Hebdo" und einen jüdischen Supermarkt im Januar dieses Jahres hatte Frankreichs Innenminister Manuel Valls eine vielbeachtete Rede vor der Nationalversammlung gehalten, die unter anderem diesen wichtigen Satz enthielt: "Die Geschichte hat uns gezeigt, dass das Erwachen des Antisemitismus das Symptom einer Krise der Demokratie ist."

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