Nach dem schweren Erdbeben geht die chinesische Regierung jetzt der Frage nach, warum so viele Schulen eingestürzt sind. Sollten sich Qualitätsmängel an den Gebäuden herausstellen, würden die Schuldigen unnachgiebig zur Rechenschaft gezogen, kündigte ein Abteilungsleiter aus dem Bildungsministerium über die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua an.
Das Bauministerium habe die örtlichen Behörden mit der Untersuchung beauftragt. Das Beben der Stärke 7,8 hatte am Montagnachmittag viele Schüler während des Unterrichts überrascht, viele Schulgebäude stürzten wie Kartenhäuser ein. Tausende Kinder kamen in den Trümmern ums Leben. Nach Erkenntnissen der Behörden stürzten in der vom Beben besonders betroffenen Provinz Sichuan 216.000 Bauwerke ein, darunter waren fast 6900 Schulgebäude.
Rund 80 Stunden nach dem Beben konnten die Rettungsmannschaften aus den Trümmern einer eingestürzten Schule aber auch ein überlebendes Kind bergen. Die Retter in Beichuan hörten aus dem zusammengestürzten Gebäude noch andere schwache Hilfeschreie. Sie schöpften neue Hoffnung, weitere Schüler zu retten.
Fünf Millionen Menschen obdachlos
Das schwere Erdbeben hat rund fünf Millionen Menschen obdachlos gemacht. Bislang sind in der betroffenen Provinz Sichuan rund 22.000 Tote bestätigt worden. Doch rechnet der Krisenstab mit mehr als 50.000 Toten. Wie die chinesische Regierung laut amtlicher Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, sind in Sichuan und den Nachbarprovinzen rund 169.000 Menschen durch das Erdbeben verletzt worden. Es fehlt an Ärzten, Medikamenten, Trinkwasser, Nahrung und Zelten.
Durch das feuchtwarme Wetter wächst auch die Seuchengefahr. Die Regierung mahnte, die Leichen möglichst schnell und abseits von Wasserquellen oder bewohnten Gebieten zu beerdigen. Knapp vier Tage nach dem Erdstoß haben Soldaten und Polizisten inzwischen alle 58 betroffenen Bezirke in dem Katastrophengebiet erreicht.
Mehrere Nachbeben haben die Erde wieder erschüttert, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtet. In Sichuan sei das Telefonnetz zusammengebrochen, Straßen seien blockiert und mehrere Fahrzeuge verschüttet. Die Nachbeben trafen demnach die Stadt Lixian nahe des Epizentrums des schweren Bebens vom Montag - der heftige Erdstoß hatte amerikanischen Geologen zufolge die Stärke 5,5 und lag nur zehn Kilometer unter der Erdoberfläche. Ob bei dem neuen Beben Menschen zu Schaden kamen, war zunächst nicht bekannt.
Niemals seit der Staatsgründung im Jahr 1949 sei ein Erdbeben so zerstörerisch gewesen, sagte Regierungschef Wen Jiabao, der sich seit Montag in dem Katastrophengebiet befindet. Es sei stärker gewesen als das Erdbeben im Juli 1976 in Tangshan in Nordostchina mit rund 240.000 Toten, das als das folgenschwerste des 20. Jahrhunderts gilt, wird er von Xinhua zitiert.
Rettungstrupps haben nach Angaben des Gouverneurs von Sichuan bisher mehr als 13.000 Menschen lebend aus den Trümmern ziehen können. Den Bergungsmannschaften läuft jedoch die Zeit davon. Die Rettungsarbeiten hätten jetzt ihre "kritischste Phase" erreicht, betonte auch Staatspräsident Hu Jintao, der nun ebenfalls nach Sichuan geflogen ist. Die Zeit werde knapp und die Herausforderungen seien immer noch sehr groß, sagte Hu in Beichuan. Der Präsident will den Angehörigen der Opfer sein Beileid auszudrücken, die Bergungsarbeiten inspizieren und einige der insgesamt 130.000 Soldaten treffen, die bei der Rettungsaktion mithelfen.
Obwohl die Zeit davonläuft, mussten 18 internationale Rettungsexperten einem Bericht der Zeitung "South China Morning Post" zufolge in Hongkong weiter auf Einreisevisa warten. Dem Team gehören zehn Briten und acht Kanadier an. "Es ist frustrierend", erklärte der Brite Willie McMartin. "Wir können aber nichts dagegen tun." Andererseits akzeptierte China andere ausländische Helfer: Bergungsexperten aus Südkorea, Russland und Singapur werden erwartet, wann sie in China eintreffen können, ist aber noch unklar. Eine Gruppe japanischer Katastrophenschutzexperten ist schon in Sichuan, Bergungsmannschaften aus Japan hatte China aber abgelehnt.
Regenzeit beginnt im Mai
Auch die Dämme, die durch das Erdbeben beschädigt worden sind, bereiten den Chinesen große Sorge: Sollten sie brechen, könnten weite Landstriche überflutet werden. Die Regierung stellte eine Soforthilfe von 53 Millionen Yuan (rund 5 Millionen Euro) zur Untersuchung der Dämme bereit. Mit dem Geld sollen die zerstörten Einrichtungen zur Kontrolle der Wasserreservoirs und zur Wetterbeobachtung repariert werden.
Das Wasserministerium hatte am Vortag vor einer "ernsten Gefahr" durch beträchtliche Erdbebenschäden an den Staudämmen gewarnt. Im Notfall müsste die Bevölkerung in Sicherheit gebracht werden. Mehr als 500 kleinere und mittlere Staubecken in der Provinz Sichuan und der Region von Chongqing sind nach offiziellen Angaben beschädigt. In diesem Monat beginnt in der Erdbebenregion die jährliche Regenzeit, so dass die Wasserstände der Flüsse und Reservoirs ansteigen werden.