Kaum noch Hoffnung für die drei Opfer des verheerenden Erdrutschs in einem früheren Braunkohleabbau-Gebiet im sachsen-anhaltischen Nachterstedt: Die Unglücksstelle - ein riesiger Krater am Concordia-See - war auch am Sonntag wegen Lebensgefahr für Rettungsteams nicht zugänglich. Am frühen Samstagmorgen war aus ungeklärter Ursache eine mehrere hundert Meter breite Anhöhe eingebrochen. Dabei wurden ein Doppelhaus und eine Hälfte eines Mehrfamilienhauses mehr als 100 Meter in die Tiefe gerissen. In dem Doppelhaus, das bis zum Samstag 80 bis 100 Meter vom Seeufer entfernt stand, wohnten zwei Ehepaare. Eine der Frauen war jedoch an ihrem Arbeitsplatz in der Nachtschicht. Verschüttet wurden eine 48-jährige Frau und zwei Männer im Alter von 50 und 51 Jahren.
Bundeswehr soll helfen
Zunächst galt auch der 22-jährige gehörlose Sohn des verschütteten Ehepaar als vermisst. Er meldete sich jedoch am Sonntag. Die Bewohner der abgerissenen anderen Haushälfte hatten Glück im Unglück: Die Eheleute befinden sich auf Reisen und meldeten sich, nachdem sie per ADAC-Reiseruf gesucht worden waren. Am Sonntag erklärten die Behörden Nachterstedt und Umgebung zum regionalen Katastrophengebiet. Das teilte Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) mit, der sich beim Krisenstab über die Lage informierte und das Gebiet bei einem Rundflug besichtigte. Er sagte zum Schicksal der Vermissten: "Die Hoffnung stirbt auch bei uns zuletzt." Man müsse aber realistisch sein und davon ausgehen, dass keine Chance mehr bestehe.
Nach Angaben Böhmers soll die Bundeswehr bei der Bergung und bei möglichen Sicherungsmaßnahmen helfen. Der Einsatz einer Wärmebildkamera am Samstag hatte keinerlei Hinweise auf Menschen unter den Schlammmassen ergeben. Die Stelle, wo sich die abgerutschten Häuser befinden, ist noch nicht einmal lokalisierbar, wie der Sprecher des Salzlandkreises, Timmi Mansfeld, sagte.
"Hohlräume nicht bekannt"
Der Sprecher der Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft, Uwe Steinhuber, teilte mit, die betroffene Siedlung sei in den 30er Jahren nach Einstellung des Braunkohleabbaus an einer Kippe gebaut worden. Das würde heute niemand mehr machen. Damals sei auch unterirdisch Kohle abgebaut, aber die Stollen seien nicht alle kartografiert worden. "Wir wissen nicht, wie es da drin aussieht", sagte Steinhuber. Nun sollen mögliche Hohlräume mit Messungen erkundet werden. Experten des Landesamts für Geologie und Bergwesen sagten, die Ursache des Erdrutsches sei noch unklar. Es gebe verschiedene Anhaltspunkte für mögliche Erklärungen, darüber wolle man aber nicht spekulieren. Dass starke Regenfälle allein das Unglück verursacht haben könnten, glauben die Experten nicht.
Die Staatsanwaltschaft Magdeburg leitete ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung ein. Wer für den Erdrutsch zur Verantwortung gezogen werden kann, steht noch nicht fest. Der Landrat des Salzlandkreises, Ulrich Gerstner, sprach von einem "ganz tragischen Ereignis". Zuvor seien keinerlei Anzeichen wie zum Beispiel Risse oder Verwerfungen gemeldet worden. Wegen der Gefahr weiterer Erdrutsche mussten 44 Menschen ihre Häuser verlassen. Diese sind auf unabsehbare Zeit - möglicherweise nie wieder - bewohnbar.
AP