Hurrikan "Sandy" Opfer schreibt Abschiedsbrief - und überlebt

  • von Henrietta Reese
Stundenlang musste ein junger Amerikaner im eiskalten Wasser ausharren, während "Sandy" wütete. Er flüchtete in ein leerstehendes Haus und nahm Abschied. Denn er glaubte nicht, überleben zu können.

Wer auch immer das liest, ich sitze im Dunkeln, während ich diese Worte schreibe. Ich sterbe. Ich bin 28 Jahre alt, mein Name ist Mike." Mit diesen Worten beginnt der bewegende Abschiedsbrief eines jungen Mannes aus New Jersey. Als Ende Oktober Hurrikan "Sandy" über die Ostküste der USA tobt, bleibt Mike in seinem Haus in Green Island. Die Geräusche draußen werden immer lauter, er öffnet die Tür - ein Fehler. Innerhalb von drei Minuten steht das Wasser in seinem Haus über einen Meter hoch. Er hat Angst, sein ganzes Haus könnte von den Wassermassen weggespült werden und flieht nach draußen - in die eisige, nasse Kälte.

Sofort gerät Mike in die reißende Strömung, die ihn in eine etwa 800 Meter entfernte Bucht spült. Er weiß nicht, wo er ist. Er sieht kein Licht, Wellen brechen immer wieder über seinem Kopf zusammen. Das erste Haus, in das er sich retten will, steht bereits völlig unter Wasser. In seiner Verzweiflung versucht er, zu seinem Haus zurückzuschwimmen, eine Intuition, die ihm wahrscheinlich sein Leben rettet.

In seiner Nachbarschaft findet Mike ein Haus, das noch nicht überflutet wurde. Er ist am Ende seiner Kräfte. "Ich brauchte wirklich dringend eine Pause", erzählt Mike dem Radiosender WOBM später in einem Interview. Er hat viel Salzwasser geschluckt und ist stark unterkühlt. "Es war, als hätte die Hausbesitzerin geahnt, dass noch jemand kommen würde, der Hilfe braucht." Im ganzen Haus liegen Handtücher und Decken, die er um sich schlingt. Die klirrende Kälte macht ihm schwer zu schaffen. Mike glaubt nicht, dass er überleben wird.

"Sagen Sie meinem Vater, dass ich ihn liebe"

Er findet Stift und Zettel. Es ist stockdunkel und Mike ist kaum noch fähig, sich auf das Schreiben zu konzentrieren. Doch er mobilisiert all seine Kräfte: "Ich musste in Ihr Haus einbrechen. Ich habe mir Decken von der Couch genommen. Ich bin unterkühlt. Ich habe nichts gestohlen", kritzelt er auf ein Stück Papier. Darunter die Nummer seines Vaters. "Sagen Sie meinem Vater, dass ich ihn liebe."

Die Hausbesitzerin findet den Brief, doch von dem jungen Mann ist in ihrem Haus keine Spur mehr. Sie stellt ein Bild der Nachricht ins Internet, ein lokaler Radiosender wird auf die Geschichte aufmerksam und wählt die Nummer, die Mike hinterlassen hat. Ein Mann meldet sich, es ist tatschlich Tony, der Vater des 28-Jährigen. Mike ist bei ihm. Er wurde gerettet und erzählt dem Moderator von Radio WOBM seine Geschichte.

Mikes Retter hieß Frank. Mit einem Wassermotorrad brachte er den zitternden Mann aus der Gefahrenzone. "Das waren wirklich nette Menschen", erzählt Mike, "Sie setzten mich vor einen Gasherd, gaben mit etwas Warmes zum Anziehen und heiße Schokolade." Jetzt ist Mike bei seinem Vater in Bergen County, er versucht, das Erlebte aus der Horrornacht zu vergessen. Doch seit jenen Stunden der Angst fürchtet er die Dunkelheit.

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