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Machtwechsel in Washington Lieber Donald Trump, ... Abschiedsbrief an einen sehr speziellen Präsidenten

Vier Jahre lang hat Donald Trump die USA regiert. Das war auch für uns Journalisten eine außergewöhnliche Zeit, die durchaus ein paar Worte zum Abschied wert sind.

Lieber Donald Trump,

Ihre Zeit als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist nun zu Ende. Als Sie vor vier Jahren mit weniger Stimmen als Ihre Gegnerin gewählt wurden, war die Welt noch eine andere: Großbritannien gehörte zur EU, niemand wusste, was ein Coronavirus ist und Deutschland war Fußballweltmeister.

Auch Ihr Land war ein anderes. Ihnen gefiel dessen Zustand damals nicht, deshalb versprachen Sie den Bürgern, Amerika wieder großartig zu machen. Und tatsächlich haben Sie viel getan, seit Sie 2017 ins Weiße Haus eingezogen sind. Vor allem ferngesehen. Vier bis acht Stunden am Tag sollen es gewesen sein. In Ihrem privaten Esszimmer ließen Sie sich dafür extra einen 60-Zoll-Flachbildfernseher installieren.

An Ihren vormittäglichen Tweets konnte man sogar ablesen, welches Programm Sie gerade geschaut hatten. Meist war das "Fox & Friends" auf Ihrem Haus- und Hofsender. Das Muster war immer das gleiche: Fox News sendete einen Beitrag, Sie twitterten anschließend zu dem Thema. Es tat wohl auch einfach gut, sich zum Start in den Tag von Ihren Fox-Freunden ein wenig Selbstbestätigung zu holen und dann die Follower daran teilhaben zu lassen.

Mit der Wahrheit nahmen Sie es bei Ihren Tweets nicht immer so ganz genau. Oder bei Ihren Pressekonferenzen. Oder bei Ihren Reden. Wenn es Ihnen nützte, erfanden Sie einfach "alternative Fakten", wie Ihre Beraterin Kellyanne Conway es nannte. Zum Beispiel, dass Ihre Amtseinführung am 20. Januar 2017 vor dem "größten Publikum, das jemals einer Einweihung beigewohnt hat", stattfand. Oder dass die Geräusche von Windrädern Krebs verursachen. Oder dass Sie einst zu Michigans Mann des Jahres gekürt wurden. Oder dass Mexiko den Bau der Grenzmauer bezahlt. Oder dass Sars-Cov-2 nur wie eine Grippe ist, das Coronavirus "im April wieder weggeht, wenn die Hitze kommt" und die Situation ohnehin "völlig unter Kontrolle" ist. 

Oder dass Sie die Wahl am 3. November gewonnen haben.

30.558 Lügen kamen so in Ihren 1460 Tagen als US-Präsident zusammen. Das macht im Durchschnitt rund 30 Lügen am Tag. Da bleibt für die Wahrheit kaum noch Platz.

Donald Trump

Wofür Sie allerdings immer Platz fanden, war Ihre Golfleidenschaft. An 321 Tagen besuchten Sie meist einen Ihrer eigenen Golfclubs, das sind 22 Prozent der Tage seit Ihrer Vereidigung. Und etwa zweieinhalb mal so viele, wie bei Ihrem Vorgänger Barack Obama, über dessen Hang zum Golfen Sie sich während seiner Amtszeit immer wieder echauffierten. "Können Sie glauben, dass Präsident Obama bei all den Problemen und Schwierigkeiten, mit denen die USA konfrontiert sind, den Tag mit Golfspielen verbracht hat?", twitterten Sie im Oktober 2014.

Nun, ich nehme an, dass Sie als Präsident mit einem "sehr, sehr großen Gehirn", sicher in der Lage waren, gleichzeitig Bälle in Löcher zu schlagen und die USA großartig zu machen. Und wenn die Bälle die Löcher mal verfehlten, konnten Sie ja immer noch auf Ihre bewährte Taktik des Lügens und Schummelns zurückgreifen, wie Ihre Gegner berichten.

Es war ein unermüdlicher Einsatz, den Ihr Amt Ihnen abverlangte. Und Sie lieferten bis zum Schluss: "Präsident Trump wird von frühmorgens bis spätabends arbeiten. Er wird viele Anrufe tätigen und viele Meetings haben", steht seit Anfang Januar an jedem Tag in Ihrem öffentlichen Terminkalender. Ein Satz, den Sie persönlich diktiert haben sollen. Zum Ende Ihrer Amtszeit gaben Sie nochmal richtig Gas: Sie haben Ehrenmedaillen verteilt, Straftäter begnadigt, andere Straftäter töten lassen, zum Sturm auf das Kapitol ermutigt und ein Abschiedsvideo aufgenommen.

Und nun muss Ihr Land ohne sein "extrem stabiles Genie" auskommen. Stattdessen soll der "schläfrige Joe" Amerika führen. Kann das gutgehen?

Großherzig, wie Sie sind, haben Sie Joe Biden in Ihrem letzten Gruß als Präsident an die Nation "alles Gute" und "Glück" gewünscht – und gleich noch eine Mahnung hinterhergeschickt: "Die Welt respektiert uns wieder. Bitte verlieren Sie diesen Respekt nicht. [...] Wir haben amerikanische Stärke zu Hause wiederhergestellt und amerikanische Führung im Ausland."

Mich verwundern diese Sätze. Ich lebe im Ausland und habe einen ganz anderen Eindruck. Aber sei's drum. Uns beiden ist ja ohnehin klar, wie wenig die Abschiedsworte eines scheidenden an den künftigen Präsidenten manchmal bewirken. Sie selbst wissen das besser als ich, denn diese Botschaft hat Ihnen Ihr eigener Vorgänger im Schreibtisch des Oval Office hinterlassen:

"Wir sind nur vorübergehend Inhaber dieses Amtes. Das macht uns zu Wächtern jener demokratischen Institutionen und Traditionen – wie Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, gleicher Schutz und bürgerliche Freiheiten –, für die unsere Vorfahren gekämpft und geblutet haben. Ungeachtet des Drängens und Ziehens der Tagespolitik liegt es an uns, diese Instrumente unserer Demokratie mindestens so stark zu hinterlassen, wie wir sie vorgefunden haben."

Leider hat das mit der Stärkung der Demokratie in Ihrem Fall ja nicht so ganz geklappt. Vielleicht hätten Sie doch nicht so vehement an deren Säulen sägen und die Lüge vom Wahlbetrug einfach weglassen sollen. Auch ein wenig mehr Achtung vor der Unabhängigkeit der Justiz, den Medien und den Menschen, die einfach nur eine andere Meinung haben als Sie, hätte dem Land womöglich gut getan.

Aber man soll ja nicht über vergossene Milch weinen. Deshalb wünsche ich Ihnen zum Abschluss einfach nur einen angenehmen Ruhestand, gerne auch für immer, und wende mich mit einer letzten Bitte an den Mann, der Sie mit rund sieben Millionen Stimmen Vorsprung aus dem Weißen Haus getrieben hat:

"Make America Great Again!"

Herzliche Grüße aus Deutschland

Marc Drewello

Quellen: "Washington Post", Factbase, CNN 1, CNN 2, Bundeszentrale für Politische Bildung

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