Erinnern Sie sich noch an Steve Bannon? Der Mann hat eine Zeit lang so viele Schlagzeilen geschrieben – als Chefstratege des Präsidenten, Stichwortgeber der Rechten oder Umstürzler aus Überzeugung –, dass es schon unübersichtlich wird. Das Weiße Haus hat nun eine Schneise ins biographische Dickicht geschlagen: Steve Bannon ist "bekannt für seine politische Klarsicht." Nicht mehr, nicht weniger.
Nachzulesen ist der gestraffte Steckbrief auf einer Liste, die alle Begnadigungen und Strafreduzierungen aufführt, die der scheidende Präsident Donald Trump in den letzten Stunden seiner Amtszeit ausgesprochen hat. Denn Bannon steht auch im Verdacht, ein Straftäter zu sein.
Der frühere Chef der rechten Webseite "Breitbart" und spätere Berater des Präsidenten war im Sommer wegen Vorwürfen festgenommen worden, Geld aus einer Online-Spendenaktion zum Bau einer Mauer zu Mexiko für andere Zwecke abgezweigt zu haben. Bannon plädierte auf nicht schuldig und wurde gegen Kaution freigelassen. Das Gerichtsverfahren in dem Fall sollte im Mai 2021 beginnen. Dieses dürfte nun passé sein.
Nun ist Trump nicht der erste scheidende Präsident, der einstigen Weggefährten oder Vertrauten eine (mögliche) Strafe erspart oder verkürzt hat. Doch passt der Fall Bannon exemplarisch in seine bisherige Begnadigungspraxis.
Verlass auf Straferlass
Knapp 85 Prozent aller Gnadenakte, die Trump bis zum Sommer 2020 erlassen hatte, haben Personen genutzt, die eine persönliche oder politische Verbindung zu Trump hatten. Kurz vor Weihnachten folgte ein weiterer Rutsch mit einer Reihe an Personen, die in die Russland-Affäre verwickelt waren, die bis heute einen Schatten auf seine Amtszeit wirft. Darunter waren etwa sein früherer "Ausputzer" Roger Stone, sein ehemaliger Wahlkampfmanager Paul Manafort oder sein einstiger Berater George Papadopoulos. Ende November hatte Trump bereits seinen ersten Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn begnadigt.
In den Genuss der Amnestie ist aber auch Charles Kushner gekommen, Vater seines Schwiegersohnes und Beraters Jared Kushner, der unter anderem wegen Steuerhinterziehung eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren absaß. Mit der Begnadigung wurde sein Strafregister jedoch nachträglich gelöscht. Dazu kommen diverse Politiker der Republikaner und vier Veteranen des US-Militärs, die wegen eines Einsatzes in Badgad für die private Sicherheitsfirma Blackwarter zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden waren – der Blackwater-Gründer, Erik Prince, ist ein alter Trump-Vertrauter und -Anhänger.
Nicht selten gingen die US-Demokraten deswegen auf die Barrikaden, warfen dem Präsidenten dreisten Machtmissbrauch vor. Trump ist zwar nicht der erste Präsident, der eine Begnadigung ausgesprochen hat, die doch eher den Anschein eines Freundschaftdienstes macht: George H. W. Bush (1989 – 1993) begnadigte einen früheren Verteidigungsminister, Bill Clinton (1993 – 2001) sogar seinen eigenen Bruder. Doch Trumps Einsatz des Begnadigungsrechts, das in der Verfassung verankert ist, dürfte oftmals dem Eigennutz gedient haben.
Insofern schließt sich nun gewissermaßen ein Kreis: Eine seiner ersten Begnadigungen galt dem ehemals "härtesten Sheriff der USA" und Trump-Anhänger Joe Arpaio. Im August 2017 hat Trump ihm die Haftstrafe erlassen – er war unter anderem für die Diskriminierung von Einwanderern verurteilt worden – und ließ sich anschließend von der rechten Szene bejubeln. Eine seiner letzten Begnadigungen gilt nun Steve Bannon. Dieser flog zwar schon nach rund einem halben Jahr aus dem Weißen Haus, war an Trumps Wahlerfolg aber maßgeblich beteiligt – und könnte für den scheidenden Präsidenten in Zukunft noch von Nutzen sein, der womöglich 2024 nochmals als Präsidentschaftskandidat antreten will.
Der unerfüllte Traum vom Staatsstreich
Offenbar wollte man beim aktuellen Schwung an Begnadigungen und Strafreduzierungen aber den Eindruck vermeiden, Trump würde nur aus eigenem Interesse handeln. Die aktuelle Liste umfasst insgesamt 143 Namen. Darunter sind Personen, die lebenslange Haftstrafen wegen Drogendelikten absitzen oder aber auch der US-Rapper Lil Wayne, der wegen unerlaubten Waffenbesitzes angeklagt worden war.
Außerdem hat Trump den Traum seiner Anhänger vom Staatsstreich und der vorsorglichen Begnadigung seiner selbst und Mitglieder seiner Familie nicht in die Realität überführt. Medienberichten zufolge hatten ihm Berater abgeraten, seinen engsten Kreis auf die Liste zu setzen – könnte man den Schritt auch als Schuldeingeständnis interpretieren. Mit der Amtseinführung seines Nachfolgers verliert Trump seine Immunität und kann folglich vor ordentlichen Gerichten angeklagt werden, etwa wegen möglicher Steuervergehen, die seit Jahren im Raum stehen.

Die Begnadigungen und Straferlasse durch Trump haben zwar viele Kontroversen ausgelöst, im Vergleich zu seinen Amtsvorgängern hat sich Trump aber noch zurückgehalten. So hat Barack Obama etwa 1715 Strafen während seiner achtjährigen Amtszeit reduziert – vor allem wegen geringer Drogendelikte, wie die "USA Today"nachgezählt hat. Trump kam in seiner, wenn auch nur vierjährigen Amtszeit, auf lediglich 24 (Stand: 5. Januar). Üblicherweise sprechen scheidende Präsidenten am Ende ihrer Amtszeit noch einige Begnadigungen aus: Bill Clinton tat dies noch in 141 Fällen, George W. Bush (18 Fälle) und Barack Obama (64 Fälle) hatten laut der Zeitung deutlich weniger. Die Fälle waren aber weniger umstritten.