Myanmar "Der Entwurf sichert die Militärmacht"

In den meisten Bezirken Myanmars wird über eine neue Verfassung abgestimmt. David Taw, der außenpolitische Sprecher der größten Widerstandsgruppe der Karen, lehnt den vom Regime vorgeschlagenen Entwurf im stern.de-Interview strikt ab.

Herr Taw, was fordert die Volksgruppe der Karen?

Unser politisches Ziel ist eine föderale demokratische Union Birma mit dem Karen-Staat als Mitglied. Wir fordern also keinen eigenen Staat. Aber wir fordern eine Verfassung, die die Machtverteilung zwischen den Unionsstaaten und der Zentralregierung klar regelt. Alle Oppositionsgruppen - die ethnischen Gruppen wie auch die birmanische Opposition im Exil - streben eine solche föderale Union an.

Würden die Karen in einer solchen föderalen Union ihre Waffen abgeben?

Die "Karen National Union" (KNU) ist überzeugt, dass Waffen keine Lösung sind. Wir brauchen die Waffen nur, um unser Volk zu verteidigen. Die Lösung der Probleme und die Zukunft Birmas kann nur durch Dialog und Verhandlungen erreicht werden. Wenn es tatsächlich eines Tages eine faire Verfassung geben sollte, die den Karen und allen anderen ethnischen Gruppen im Land eine Zukunft garantiert, dann könnte unsere Armee so etwas wie eine Nationalgarde oder die Polizei im Karen-Staat werden.

Den vorliegenden Verfassungsentwurf lehnen Sie also ab?

Dieser Entwurf sichert die Macht des Militärs für alle Zukunft. Er wäre akzeptabler gewesen, wenn er sich an dem indonesischen Model orientiert hätte. In Indonesien war die Armee zunächst Teil der Regierung. Dann aber wurde der Einfluss der Armee durch Wahlen immer mehr zugunsten einer zivilen Regierung reduziert. In Birma aber sichert sich das Militär langfristig seine Position als zentrale politische Macht und gibt den ethnischen Staaten keine wirkliche Autonomie. Deshalb rufen wir die Karen auf, mit Nein zu stimmen.

Die EU und besonders die USA haben Sanktionen gegen Myanmar verhängt. Teilen Sie die Meinung von Kritikern, die sagen, Sanktionen treffen mehr das Volk als die Regierung?

Allgemeine Sanktionen treffen die Regierung, aber auch das Volk. Allerdings wollen die USA jetzt Sanktionen beschließen, die direkt das Regime und seine Nutznießer treffen. Davor hat das Regime Angst.

Das Regime macht gute Geschäfte mit Ländern wie Indien, China, Thailand und Singapur. Warum soll es sich wegen Sanktionen durch die USA und die EU Sorgen machen?

Stimmt. Aber die Generäle nutzen für diese Geschäfte kaum die Banken dieser Länder, sondern konzentrieren sich auf Singapur. Deshalb sollten Sanktionen das Bankensystem in Singapur zum Ziel haben. Das würde sie wirklich treffen.

Sind Sie enttäuscht über die lasche Haltung der ASEAN-Staaten gegenüber dem Militärregime in Myanmar?

Die zehn ASEAN-Staaten - Birma ist ja einer davon - sind nicht demokratisch. Die sind nur an ihren Investitionen in Birma und dem Handel mit Birma interessiert. Birma hat eine Menge natürlicher Ressourcen wie Gas, um die die ASEAN-Staaten mit China und Indien konkurrieren. Das bietet dem Regime eine gute Möglichkeit, diese Länder gegeneinander auszuspielen. Das Regime hat keine langfristige Strategie, sondern ist nur an seinen eigenen, kurzfristigen Interessen interessiert. Eine demokratische Regierung würde langfristige Strategien zur Verbesserung der Lebenssituation des Volkes verfolgen. Deshalb ist das Regime für China, Indien und die ASEAN-Staaten mit ihrem großen Energiebedarf der bessere Geschäftspartner.

Andere ethnische Gruppen haben mit der Junta Waffenstillstandsabkommen geschlossen. Warum nicht die Karen?

Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder mit dem Regime verhandelt. Ich selbst habe an einer Reihe von Gesprächen in Birma teilgenommen. Aber die Junta hat Bedingungen für einen Waffenstillstand gestellt, die für uns nicht akzeptabel waren.

Interview: Michael Lenz

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