Eine Woche nach dem Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind viele deutsche Rettungsteams bereits abgereist, weil kaum mehr Hoffnung besteht, noch Überlebende zu bergen. Für Markus Maichle und sein Team ist die Arbeit allerdings noch lange nicht vorbei. Die Bestattungsexperten identifizieren und desinfizieren im Katastrophengebiet im Süden der Türkei die Leichen von Erdbebenopfern. Seit seiner Ankunft am vergangenen Dienstag hat das Team unermüdlich durchgearbeitet.
Maichle ist Vizepräsident des Bundesverbands deutscher Bestatter und leitet das ehrenamtliche DeathCare Embalmingteam Germany, dem 13 ausgebildete Bestatter aus allen Teilen Deutschlands sowie zwei Dolmetscher angehören. Durch seinen Beruf als Bestatter im baden-württembergischen Geislingen an der Steige ist Maichle den Umgang mit Toten gewöhnt. Auch alle anderen Team-Mitglieder sind aus ihrem Arbeitsalltag mit den Themen Tod und Trauer vertraut. Doch die Lage im südtürkischen Kahramanmaras überwältigt auch sie.
In den vergangenen Tagen haben sie sich bereits um etwa 250 Leichen gekümmert, darunter auch Kinderleichen. "Für das Team und für uns alle ist das sehr hart", sagt Maichle. "Wenn man das sieht, dann sind alle anderen Probleme im eigenen Leben so klein."
"Haben schlaflose Nächte, schämen uns, wenn wir essen"
Maichle beschäftigt, wie plötzlich die Katastrophe über die Menschen im türkisch-syrischen Grenzgebiet hereinbrach. Vor einigen Tagen standen alle Gebäude in Kahramanmaras noch, ihre Bewohner führten ein normales Leben – nun ist alles zerstört. "Es ist schwierig, sich das vorzustellen, das ist verrückt." Nun gibt es in der Großstadt so viele Tote, dass Maichle und sein Team rund um die Uhr zu tun haben.
Das Winterwetter, das den Überlebenden des Erdbebens zu schaffen macht, ist für die Arbeit von Maichles Team von Vorteil – die Leichen verwesen weniger schnell. Dennoch müssen auch die Bestattungsexperten sich beeilen, die vielen Toten zu identifizieren und zu desinfizieren.
Für Soner Efil, türkischstämmiges Mitglied in Maichles Team, war es eine Herzensangelegenheit, nach dem Beben mit zehntausenden Toten in der Türkei zu helfen. "Wir haben das Ausmaß der Katastrophe in Deutschland in den Nachrichten gesehen, glauben Sie mir, für uns ist das hier auch nicht einfach", erzählt der Dolmetscher aus Geislingen. "Wir haben schlaflose Nächte, wir schämen uns, wenn wir essen, während Menschen noch unter den Trümmern verschüttet sind."
Die Lage vor Ort ist so schlimm, dass Efil sie den Daheimgebliebenen in Deutschland kaum schildern kann. "Meine Mutter in Deutschland ruft mich an und fragt mich, wie es geht. Aber das kann man mit Worten nicht beschreiben. Ich sage dann einfach: 'Es ist alles okay, Mama'."
"Wir arbeiten mit unseren Herzen"
Maichle, Efil und ihre Teamkollegen entlasten mit ihrer schwierigen Arbeit andere Einsatzkräfte im Erdbebengebiet und die Angehörigen. Im Gegenzug erhalten sie von den Bewohnern des Katastrophengebiets viel Unterstützung. Die Türken seien "sehr hilfsbereit", sagt Maichle. "Sie bringen uns Wasser, Essen." Und sein Team und er gäben etwas zurück. "Wir helfen mit unseren Herzen", sagt Maichle.
An ein Ende des ehrenamtlichen Einsatzes kann Maichle angesichts der Herkulesaufgabe im Erdbebengebiet noch gar nicht denken. "Ich kann nicht weg", sagt er. "Ich habe hier viel zu tun."
Laut DeathCare-Embalmingteam-Sprecher Daniel Niemeyer wird der Einsatz fortgesetzt, "solange wie Hilfe benötigt wird" und die Sicherheit und Versorgung der Einsatzkräfte gesichert ist. Weil die Arbeit mit den vielen Todesopfern aber "sehr kräftezehrend" sei und die Einsatzkräfte oft nur "ein bis zwei Stunden Schlaf" am Stück bekämen, werde derzeit die Entsendung eines zweiten Einsatzteams als Ablösung von Maichles Team vorbereitet, sagt Niemeyer. Es soll voraussichtlich noch diese Woche in das Katastrophengebiet aufbrechen.