Vermisst im Nordatlantik Suchen, finden, heben: Wie die Rettung des Tauchboots "Titan" klappen könnte

Das Tauchboot "Titan" scheint durch dunkelblaues Wasser zu schweben
Bis Donnerstagmittag deutscher Zeit reicht der Sauerstoff für mögliche Überlebende im Tauchboot "Titan" wohl noch
© Handout / OceanGate Expeditions / AFP
Am Donnerstagmittag geht den möglichen Überlebenden im vermissten Tauchboot "Titan" der Sauerstoff aus. Die Suchaktion gestaltet sich schwierig – und die Bergung hält weitere Herausforderungen bereit.

Die Zeit drängt: Schätzungen der Behörden zufolge dürfte der Sauerstoff im Tauchboot "Titan" nur noch bis Donnerstagmittag MESZ reichen. Und noch ist das Boot immer noch nicht gefunden. Zumindest gibt es möglicherweise ein Lebenszeichen der Insassen. Suchteams hätten am Dienstag alle 30 Minuten eine Art von Klopfgeräuschen in der Region registriert, in dem das Gefährt der Firma Oceangate vermutet werde, hieß es in einem internen Memo der US-Regierung, aus dem der Sender CNN und das Magazin "Rolling Stone" zitierten. Das würde bedeuten, dass mindestens ein Mensch an Bord das Unglück bis dahin überlebt hat.

Experten warnten aber vor Optimismus. Die Geräusche seien zwar eine "wirklich gute Nachricht", sagte Mike Welham, Spezialist für Marineeinsätze und Autor, dem britischen Sender Sky News. Doch es benötige Zeit, um Spezialausrüstung und geschulte Kräfte für eine Tiefenrettung an den Einsatzort zu bringen. Die genaue Lokalisierung sei zudem ungemein schwierig: Das sei, "als würde jemand ein 50-Pence-Stück auf ein Fußballfeld legen und versuchen, es zu finden".

Die Suche nach "Titan"

Das Suchgebiet ist rund 26.000 Quadratkilometer groß. Nach Einschätzung der Ozeanografin Maren Walter von der Forschungseinrichtung Marum der Universität Bremen bestehen in der Region im Nordatlantik vergleichsweise starke Strömungen, beispielsweise ist dort der Nordatlantikstrom. "Es kann sein, dass es starke Strömungen in unterschiedliche Richtungen gibt", sagt Walter. "Je tiefer der Ozean an einer Stelle ist, desto größer muss das Suchgebiet dann auch werden." Sollte das Tauchboot steuerlos sein, könne es weit abgetrieben werden.

Ein kanadisches Suchflugzeug hat ein weißes, rechteckiges Objekt im Wasser geortet, berichtet "CNN" unter Berufung auf das Memo. Aber ein Schiff, das es untersuchen sollte, wurde umgeleitet, um stattdessen bei der Erforschung der Klopfgeräusche zu helfen. Funk- und GPS-Signale können Wasser nicht durchdringen, sodass die einzige andere Möglichkeit, das Tauchboot aufzuspüren, Sonar und Sonobojen sind. Die Geräte werden von einem Flugzeug abgeworfen und sinken auf die erforderliche Tiefe. Ein Oberflächenschwimmer mit einem Funksender sichert die Kommunikation zwischen Sonar und Flugzeug. Die Sonargeräte senden Schallenergie aus – als "Ping" bezeichnet – und warten dann auf das zurückkehrende Echo eines Unterwasserobjekts. Sobald das Gerät das Echo auffängt, überträgt es die Informationen zurück zur Oberflächenboje und dann weiter zum Flugzeug.

Auf Schiffen werden autonome Unterwasserfahrzeuge mit den Grenzen eines Suchgebiets programmiert, bevor sie ins Wasser gelassen werden. Dann tauchen diese torpedoartigen Roboter und bewegen sich in einer bestimmten Höhe über dem Grund, wobei sie Sonarwellen ausstrahlen. "Und wenn ich davon ausgehe, dass das Tauchboot auf dem Grund liegt, dann muss man sich vorstellen, was da für Trümmer der 'Titanic' liegen. Das sind mit Sicherheit Teile, die größer sind als das Tauchboot, und da fällt es schwer, die richtigen Kontakte anzupingen", sagte der langjährige U-Boot-Fahrer Jürgen Weber, 69. Er fürchte, dass die Chancen, die "Titan" rechtzeitig zu finden, nur sehr gering seien.

Wenn das Tauchboot gefunden ist

Sobald das Tauchboot gefunden ist, kommen Tauchroboter zum Einsatz. Denn das Wrack der "Titanic" liegt in rund 3800 Metern unter der Wasseroberfläche zu tief für einen Taucher. Zur Rettung käme dann etwa das System CURV 21 der US-Navy zum Einsatz. Der Tauchroboter kann mehr als 6000 Meter tief tauchen und mit unterschiedlichen Werkzeugsätzen – etwa speziellen Bergungswerkzeugen – ausgestattet werden.

Dieses undatierte Foto zeigt das Tauchboot "Titan" von OceanGate Expeditions
Dieses undatierte Foto zeigt das Tauchboot "Titan" von OceanGate Expeditions, das zur Besichtigung der Wrackstelle der Titanic eingesetzt wurde
© American Photo Archive / DPA
Arthur Loibl tauchte vor zwei Jahren mit dem vermissten Tauchboot zur "Titanic" – so erlebte er den Trip

Um "Titan" zu heben, ist ein Flyaway Deep Ocean Salvage System (FADOSS) der US-Navy auf dem Weg ins Suchgebiet. Dabei handelt es sich um ein Schiffshebesystem mit einer Kapazität von bis zu 27 Tonnen "für die Bergung von großen, sperrigen und schweren versunkenen Objekten wie Flugzeugen oder kleinen Schiffen auf hoher See", schreibt die Navy auf ihrer Homepage.

"Selbst, wenn es an der Oberfläche treibt, ragen von einer Gesamthöhe von 2,80 Metern höchstens 80 Zentimeter aus dem Wasser. Das ist je nach Seegang kaum zu entdecken", sagte Fregattenkapitän a.D. Weber der Deutschen Presse-Agentur. Und noch ein Problem benennt Weber: Das Tauchboot lässt sich nur von außen öffnen. "Selbst, wenn Sie oben treiben und gerne atmen möchten, bekommen Sie das Boot nicht auf. Das ist katastrophal in meinen Augen."

Nun sind die zwei großen Fragen: Finden die Suchtrupps das Tauchboot? Und: Ist das Spezialequipment rechtzeitig vor Ort und einsatzbereit, bevor den Menschen in der "Titan" der Sauerstoff ausgeht?

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