Sturmtief "Ylenia" Sturmflut in Schleswig-Holstein, Ausnahmezustand in Berlin – vorläufige Bilanz der Nacht

Sturm in Deutschland: Orkan "Ylenia" fegt über Deutschland - Hochwasser in Hamburg
Sturm "Ylenia" fegt über Deutschland - Hochwasser in Hamburg
Sehen Sie im Video: Orkan "Ylenia" fegt über Deutschland – Hochwasser in Hamburg, viele Schulen geschlossen.














Umgestürzte Bäume, lose Dachziegel, abgesagte Flüge und verspätete Züge: Sturmtief «Ylenia» hat zunächst vor allem den Norden und Osten Deutschlands getroffen. Die Feuerwehren und Polizeileitstellen berichteten am frühen Donnerstagmorgen von zahlreichen Einsätzen.
So wurde zum Beispiel der Hamburger Fischmarkt am frühen Morgen erneut überflutet. «Am Pegel St. Pauli wurde gegen 5.00 Uhr ein Wert von 1,98 Meter über dem mittleren Hochwasser (MHW) gemessen», sagte ein Sprecher des Sturmflutwarndienstes.
In Nordrhein-Westfalen beschädigten umfallende Bäume zahlreiche Autos. Schwere Unfälle habe es jedoch zunächst nicht gegeben und auch verletzt wurde niemand, sagte eine Sprecherin der landesweiten Polizei am Donnerstagmorgen.
Ab Donnerstagnachmittag lässt der Wind von Tief «Ylenia» laut DWD zwar langsam nach. Die Verschnaufpause dürfte jedoch nur kurz sein. Bereits für Freitagmittag wird das nächste Orkantief - «Zeynep» genannt - von den Britischen Inseln kommend erwartet.
Die Zeichen stehen auf Orkan. "Ylenia", das erste von zwei erwarteten Sturmtiefs, hat in der Nacht zum Donnerstag Norden und Osten Deutschlands erreicht – größere Schäden blieben vorerst aus. 

Weniger als drei Wochen nach Sturm "Nadia" haben gleich zwei Orkantiefs Kurs auf Deutschland genommen. Sturmtief "Ylenia" hat in der Nacht zum Donnerstag vor allem den Norden und Osten Deutschlands getroffen. Die Feuerwehren und Polizeileitstellen berichteten am frühen Donnerstagmorgen von zahlreichen Einsätzen, größere Schäden blieben vorerst aber aus. Zuvor hatte der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach für Mittwochabend bis Donnerstagabend Unwetterwarnungen hauptsächlich für die nördliche Hälfte des Landes herausgegeben.

Sturmflut in Schleswig-Holstein

Die Hochwasserstände an der niedersächsischen Nordseeküste blieben zum Teil aber niedriger als erwartet. Anders als für Schleswig-Holstein und Hamburg hatte das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hier auch nicht vor einer Sturmflut gewarnt. Es wurde allerdings mit Pegelständen etwa 1 Meter höher als das mittlere Hochwasser (MHW) gerechnet. Auf Borkum lagen die Wasserstände nach Angaben eines BSH-Sprechers mit etwa 84 Zentimeter über dem mittleren Hochwasser darunter. Auf Norderney stieg das Wasser demnach auf 1,01 Meter über MWH. In Emden wurden Werte von 1,15 Metern erreicht und in Wilhelmshaven von 1,09.Die Deutsche Bahn riet, sich über Verspätungen oder Zugausfälle zu informieren.  In Schleswig-Holstein hingegen gab es eine Sturmflut. In Husum, am Eidersperrwerk und in Büsum beispielsweise lagen die Hochwasserwerte am frühen Donnerstagmorgen über 1,5 Meter über dem mittleren Hochwasser. Genaue Zahlen lagen zunächst nicht vor.

Ausnahmezustand in Berlin

Die Feuerwehr Berlin rief am frühen Donnerstagmorgen wegen des Sturmtiefs "Ylenia" den Ausnahmezustand aus. Seit 2.00 Uhr sei ein starker Anstieg an wetterbedingten Einsätzen zu verzeichnen. Mehrere Freiwillige Feuerwehren seien in den Dienst gerufen worden, um die Berufsfeuerwehr zu unterstützen. In Lichterfelde seien beispielsweise drei Bäume auf mehrere parkende Autos gefallen und auch ein Lichtmast sei mitgerissen worden. Meldungen von Verletzten lagen aus Berlin zunächst nicht vor.

Corona-Teststation in NRW zerstört

In Nordrhein-Westfalen hatten die Behörden hatten im Vorfeld zur Vorsicht wegen umstürzender Bäume geraten. Landesschulministerin Yvonne Gebauer (FDP) sagte den Unterricht für Donnerstag ab. Erste Ausläufer des von Westen kommenden Unwetters sorgten am Mittwochabend für heftigen Wind und Regen – ohne großen Schaden anzurichten. Feuerwehren in Ostfriesland riefen Küstenbewohner auf, Gartenmöbel und Mülltonnen zu sichern.

Und auch in Kleve bekamen die Anwohner den Sturm deutlich zu spüren. Eine Corona-Teststation am Niederrhein konnte den Windböen nicht standgehalten. Der Wind zerstörte das Zelt des Drive-in-Testzentrums in NRW, wie die Feuerwehr mitteilte. Zwei Dutzend Feuerwehrleute rückten demnach aus, um die Stangen und Planen einzuräumen. Der Eigentümer habe sie weggeschafft. Verletzt wurde nach Feuerwehrangaben niemand.

Bahn- und Flugverkehr teils stark beeinträchtigt

Das Sturmtief beeinträchtigte auch den Bahn- und Flugverkehr. Umgestürzte Bäume behinderten Züge. Das Ausmaß hielt sich aber in der Nacht zunächst in Grenzen. Dennoch kommt es nach Informationen der Deutsche Bahn vor allem in der Nordhälfte Deutschlands zu Verspätungen und Zugausfällen. In den Ländern Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin steht der Fernverkehr zunächst still. Die Deutsche Bahn rät weiterhin, sich über aktuelle Verspätungen oder Zugausfälle zu informieren. Für den Zeitraum Donnerstag/Freitag sollen Kulanzregelungen für die Gültigkeit bereits gekaufter Fernverkehrstickets gelten. Möglich seien eine flexiblere Nutzung über mehrere Tage oder kostenfreie Stornierungen.

Zwischen Bremen und Hamburg stürzte bei Buchholz in der Nacht ein Baum auf die Gleise. Ein ICE musste deshalb umgeleitet werden, wie ein Bahnsprecher sagte. In Nordrhein-Westfalen blockierten Bäume nach Unternehmensangaben vereinzelt Nebenstrecken im Raum Dortmund. Vorübergehend war demnach die Verbindung Dortmund-Münster betroffen.

Die Lufthansa strich vorsorglich 20 Flüge, wie das Unternehmen in der Nacht auf Anfrage mitteilte. Reisenden wurde empfohlen, sich auf der Website der Airline über den Status ihres Fluges zu informieren. Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt sind nach Betreiberangaben Verbindungen mit Berlin, Hamburg und München betroffen.

Hier ist der Sturm am stärksten

Die untenstehende interaktive Karte zeigt, wo es gerade besonders stürmisch ist. Darüber hinaus kann man über den Zeitstrahl unten in der Grafik die Vorhersage für einen späteren Zeitpunkt abrufen. Oben rechts kann die dargestellte Ebene auf beispielsweise Regen oder Schnee umgestellt werden. 

Bereitgestellt wird der Service von Windy.com. Die Macher nutzen für ihre Darstellungen und Vorhersagen das Modell vom "Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage".

Orkantief "Zeynep" für Freitag vorhergesagt

"Es fängt im Nordwesten an und zieht dann Richtung Südosten bis etwa zur Mitte Deutschlands", erklärte DWD-Meteorologe Adrian Lyser am Mittwoch. Es seien Böen mit einem Tempo bis zu 120 Stundenkilometer möglich. In einigen Regionen gingen die Vorhersagen sogar darüber hinaus: "Auf dem Brocken werden auch mal bis zu 140 Stundenkilometer möglich sein", sagte DWD-Experte Manno Peters. In diesem Winter habe es bereits mehrere kräftigere Stürme gegeben. "So einen Sturm hatten wir nun aber lange Zeit nicht", betonte der Meteorologe.

Ab Donnerstagnachmittag lässt der Wind von Tief "Ylenia" laut DWD zwar langsam nach. Die Verschnaufpause dürfte jedoch nur kurz sein. Bereits für Freitagmittag wird das nächste Orkantief – "Zeynep" genannt – von den Britischen Inseln kommend erwartet.

Laut DWD wird wahrscheinlich wieder vor allem die nördliche Hälfte betroffen sein. Doch die Prognosen seien hierbei nicht ganz sicher: "Die Modelle haben da immer noch sehr unterschiedliche Simulationen", sagte der Pressesprecher und Meteorologe Andreas Friedrich am Mittwoch. Die Wetterlage sei sehr dynamisch.

"Kette von Sturmtiefs"

In Schottland, wo Fachleute ebenfalls mit heftigen Auswirkungen der Stürme rechneten, wurden Zug- und Fährverbindungen heruntergefahren. Touristenattraktionen wie Edinburgh Castle wurden geschlossen.

Bereits Ende Januar war das Sturmtief "Nadia" mit gefährlichen Böen über Nord- und Ostdeutschland gefegt und hatte Millionenschäden verursacht. Im brandenburgischen Beelitz kam dabei ein Fußgänger ums Leben, weil ein großes Wahlplakat umgeweht wurde und auf ihn stürzte. Etwa eine Woche später waren Ausläufer von Sturmtief "Roxana" über Teile Deutschlands gefegt.

Nach Ansicht des DWD-Meteorologen Friedrich sind die erwarteten Stürme, was die Windspitzen angeht, mit Tief "Nadia" vergleichbar. Die aktuelle Lage sei aus seiner Sicht allerdings brisanter, "weil wir eine Kette von Sturmtiefs haben".

DPA
lhi /cl / yks

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