Polarschiff versank 1915 Mehr als 100 Jahre nach ihrem Untergang: Forscher entdecken Wrack der legendären "Endurance"

Das Expeditionsschiff "Endurance" steckte 1915 einige Wochen im Packeis fest
Das Expeditionsschiff "Endurance" steckte 1915 einige Wochen im Packeis fest, ehe es zerdrückt wurde und sank
© Imago Images
1915 versank das Expeditionsschiff "Endurance" des britischen Polarforschers Ernest Shackleton vor der Küste der Antarktis, nachdem es vom Packeis zerdrückt wurde. Jetzt haben Forscher das schwer zugängliche Wrack entdeckt.

Es ist eine sensationelle Entdeckung: Mehr als 100 Jahre nach ihrem Untergang haben Forscher jetzt das Wrack der "Endurance" gefunden. Das historische Expeditionsschiff war 1915 während einer Expedition des Entdeckers Ernest Shackleton im Packeis zerschmettert worden.

Wie unter anderem die "New York Times” berichtet, hat ein Team aus Abenteurern, Meeresarchäologen und Technikern das Wrack mit Hilfe von Unterwasserdrohnen auf dem Grund des Weddellmeeres östlich der antarktischen Halbinsel geortet. Mehr als zwei Wochen lang hatte das Team unter der Leitung des britischen Meeresarchäologen Mensun Bound in einem rund 390 Quadratkilometer großen Gebiet um die Stelle, an der das knapp 44 Meter lange Holzschiff 1915 gesunken war, gegen Meereis und eisige Temperaturen angekämpft.

Das Wrack der "Endurance" liegt 3008 Meter tief

Anfang Februar 2021 startete von Südafrika aus die "SA Agulhas II" mit einem 64-köpfigen Team aus Wissenschaftlern und Technikern an Bord. Zehn Millionen Dollar stellte ein unbekannter privater Sponsor für das Projekt "Endurance22" bereit. Doch trotz moderner Technik wurde die Suche kein leichtes Unterfangen. Das Wrack der "Endurance" liegt 3008 Meter tief. Zum Glück notierte der Kapitän und hervorragende Navigator Frank Worsley des Dampfseglers die letzte Position vor dem Untergang sehr präzise.

Das südafrikanische Polarforschungs- und Logistikschiff "S.A. Agulhas II"
Ein Team aus Abenteurern, Meeresarchäologen und Technikern machte sich mit dem südafrikanischen Polarforschungs- und Logistikschiff "S.A. Agulhas II" auf die Suche nach dem Wrack 
© Falklands Maritime Heritage Trust / Nick Birtwistle / DPA

Abgesehen von einigen technischen Pannen bei den beiden Tauchbooten und einem Tag, an dem die Suche auf dem Eis ruhte, verlief die Suche relativ reibungslos. Zweimal am Tag durchkämmten batteriebetriebene Tauchboote den Meeresboden für jeweils etwa sechs Stunden. Mit dem Sonar suchten sie den glatten Meeresboden ab und hielten Ausschau nach allem, was sich von ihm abhob. Nachdem das Wrack geortet worden war, wurde die Ausrüstung gegen hochauflösende Kameras und andere Instrumente ausgetauscht, um detaillierte Bilder und Scans zu erstellen.

Die ersten Bilder des Schiffes seit den Aufnahmen von Shackletons Fotograf Frank Hurley zeigten Teile des Schiffes in erstaunlichen Details. Ein Bild des Hecks zeigte den Namen "Endurance" über einem fünfzackigen Stern – ein Überbleibsel aus der Zeit, bevor Shackleton das Schiff kaufte und es noch "Polaris" hieß.

Das Wrack der Endurance im Weddelmeer
Diese Aufnahme zeigt das Heck der "Endurance". Bevor Shackleton das Schiff kaufte, hieß es noch Polaris, daher auch der fünfzackige Stern unter dem Namen.
© Falklands Maritime Heritage Trus / DPA

Ein weiteres Bild, das von oben aufgenommen wurde, zeigt das offene Hinterdeck des Schiffes und den Eingang zu den Hauptquartieren. Der Druck des Packeises hatte die "Endurance" stark beschädigt, bevor sie sank und auf dem Bild scheint der vordere Teil des Schiffes stark aufgebrochen zu sein.

"Wir sind überwältigt von unserem Glück, die 'Endurance' geortet und Bilder von ihr gemacht zu haben", erklärte Bound. "Das ist bei weitem das beste hölzerne Schiffswrack, das ich je gesehen habe." Die "Endurance" liege aufrecht im Wasser und sei "in einem brillanten Erhaltungszustand", führte der Expeditionsleiter aus. Der Fundort liegt demnach rund sechseinhalb Kilometer von der Stelle entfernt, an der das Schiff 1915 langsam vom Packeis zerquetscht worden war.

Wrack der "Endurance" gilt als historisches Denkmal

Gemäß dem Antarktisvertrag, dem sechs Jahrzehnte alten Abkommen zum Schutz der Region, gilt das Wrack als historisches Denkmal. Es zu berühren oder gar Gegenstände daraus mitzunehmen ist streng verboten. Die Bilder und Scans werden als Grundlage für Lehrmaterial und Museumsausstellungen verwendet.

Batteriebetriebene Tauchboote durchkämmten den Meeresboden für jeweils etwa sechs Stunden
Zweimal am Tag durchkämmten batteriebetriebene Tauchboote den Meeresboden für jeweils etwa sechs Stunden
© Esther Horvath/Falklands Maritime Heritage Trus / AFP

Die "Endurance" nimmt in der Geschichte der Polarregionen einen Ehrenplatz ein, da sie eine der größten Überlebensgeschichten in der Geschichte der Entdeckungen hervorgebracht hat. Die Expedition wurde legendär, weil es dem britische Polarforscher Ernest Shackelton und seiner Mannschaft gelang, der lebensfeindlichen Antarktis zu Fuß und in Booten zu entkommen. Shackleton verließ England 1914 mit einer 27-köpfigen Besatzung an Bord der "Endurance" in Richtung Vahselbucht im Weddellmeer. Von hier aus wollte er als erster Mensch die Antarktis zu Fuß durchqueren.

Die "Endurance" kurz nachdem sie vom Packeis zerdrückt wurde
Die "Endurance" kurz nachdem sie vom Packeis zerdrückt wurde
© Imago Images

Doch die Fahrt endete viel früher als gedacht. Obwohl die "Endurance" als Eisbrecher konstruiert und damals eines der stärksten Schiffe weltweit war, blieb sie weit vor ihrem geplanten Ziel im Packeis des Südpolarmeeres stecken. Notgedrungen ließ sich die Besatzung mit dem Eis durch die Weddellsee driften, immer in der Hoffnung, wieder auf offene See zu gelangen, um einen zweiten Anlauf zu nehmen. Doch daraus wurde nichts: "Dies ist der schlimmste Ort im schlimmsten Meer", soll Shackleton gesagt haben, als er sein Schiff endgültig aufgeben musste. Bis heute zählt der Ort zu den am schwierigsten zu befahrenden Meeresgebieten der Welt.

"Endurance" vom Packeis zermalmt

Am 21. Oktober 1915, mehr als ein halbes Jahr nachdem die "Endurance" im Packeis steckengeblieben geblieben war, zermalmten Eisschollen den Schiffsrumpf. Und für die Mannschaft um Shackleton begann eine der unglaublichsten Überlebensgeschichten in der Geschichte der Wissenschaft.

Nachdem sie monatelang auf einer Eisscholle ausgeharrt hatten, bis diese zerbrach, ruderten sie am 9. April 1916 zu den Elefanten-Inseln (Großbritannien). Von dort fuhr Shackleton in einem Boot und fünf ausgewählten Männern nach Südgeorgien, um Hilfe zu holen. Erst vier Monate später, am 30. August 1916 gelang es ihm mit einem gecharterten Fischkutter die 22 zurückgelassenen Kameraden zu retten. Trotz der extrem harten Bedingungen überlebte das gesamte Expeditionsteam.

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1921 brach Ernest Shackleton ein drittes Mal in die Antarktis auf, kam aber nur bis Südgeorgien. Dort starb er im Januar 1922 an Herzversagen. Zwar schaffte er es nie bis zum Pol oder darüber hinaus, aber seine Führungsrolle bei der Rettung seiner gesamten Mannschaft machten ihn in Großbritannien zu einem Helden.

Quellen:  "New York Times", DPA, AFP

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