Als der sagenumwobene Vulkan Vesuv vor etwa 2000 Jahren ausbrach, begrub er alles in seiner Umgebung mit einer dicken Schicht aus glühender Lava und Staub. Auch eine Villa samt ihrer Bibliothek in der Stadt Herculaneum fiel den glühenden Massen zum Opfer. Lange Zeit glaubte man, dass alle Aufzeichnungen und Schriftrollen, die bei dem Ausbruch verschüttet wurden, niemals entziffert werden könnten, weil schon die kleinste Berührung das empfindliche Papyrus zu Staub zerfallen lassen würde.
Doch laut Wissenschaftlern der Universität von Kentucky ist nun möglicherweise ein Durchbruch bei der Untersuchung der Schriftrollen gelungen: Sie konnten das erste Wort einer verkohlten Schrift entziffern – mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz.
Archäologie: Wissenschaftler entziffern erstes Wort auf verkohlter Schriftrolle aus Herculaneum
Wie unter anderem der britische "Guardian" berichtet, erklärte der Computerwissenschaftler Brent Seales am Donnerstag, dass das erste Wort aus einer Herculaneum-Schriftrolle extrahiert worden sei. Ein Erfolg, den viele Forscher nicht für möglich gehalten hätten.
Zwar wurden die Schriftrollen bereits im 18. Jahrhundert gefunden, doch sie sind aufgewickelt so verkohlt und zerbrechlich, dass jeder Versuch sie zu entfalten, sie wohl unwiderruflich zerstören würde.
Um die historischen Schriften dennoch zu entziffern, rief ein Team um Seales bereits im März diesen Jahres die "Vesuvius Challenge" aus. Ein Wettbewerb, um mit neuen Ideen die Aufzeichnungen doch lesbar zu machen. Wer bis Ende Dezember vier oder mehr Passagen der alten Schriften (jeweils mehr als 140 Zeichen) entschlüsseln kann, dem winkt ein Preisgeld von 700.000 US-Dollar. Finanziert wird der Wettbewerb durch Investoren aus dem Silicon Valley.
Um die Challenge zu starten, veröffentlichten Seales und sein Team tausende 3D-Röntgenbilder von zwei aufgerollten Schriftrollen und drei Papyrus-Fragmenten, zusammen mit einem KI-Programm, das darauf trainiert ist, Buchstaben in den Schriftrollen zu erkennen, in dem es Veränderungen im Papyrus durch die antike Tinte wahrnimmt.
Zwei Studenten verbesserten KI so, dass erstes Wort entschlüsselt werden konnte
Mit Erfolg: Zwei Informatikstudenten, Luke Farritor aus Nebraska und Youssef Nader aus Berlin, verbesserten den Suchprozess des Programms und stießen unabhängig voneinander auf dasselbe altgriechische Wort in einer der Schriftrollen: "πορφύραc", was "Purpur" bedeutet. Farritor, der das Wort als erster gefunden hatte, gewann 40.000 Dollar, Nader erhält 10.000 Dollar.
Nun geht es darum, den umliegenden Text lesbar zu machen. Federica Nicolardi, Papyrologin an der Universität Neapel Federico II, erklärte, dass drei Zeilen der Schriftrolle, die bis zu zehn Buchstaben enthalten, jetzt lesbar sind und dass weitere folgen werden. Ein kürzlich entdeckter Abschnitt zeigt mindestens vier Spalten mit Text, so der "Guardian".
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"Mit diesem Wort tauchen wir zum ersten Mal in ein ungeöffnetes antikes Buch ein, das von Königtum, Reichtum und vielleicht sogar Spott zeugt", erklärte Seales. "Worum es in dieser Schriftrolle geht, ist noch nicht bekannt, aber ich glaube, es wird sich bald zeigen. Eine alte, neue Geschichte, die mit 'Purpur' beginnt, ist unglaublich."
Quellen: The Guardian, Vesuvius Challenge