Gerade wurde in Nairobi der neue Expressway eingeweiht: ein Prestigeprojekt für den Hauptstadtverkehr. Gleichzeitig ändert sich an den Lebensbedingungen auf dem Land im Norden seit Jahren wenig. Auch dort gibt es zwar Mobilfunknetze, weil das logistisch einfach ist, aber ansonsten leben die Leute dort wie vor 50 oder 100 Jahren. Der Berliner Fotograf Roland Brockmann besuchte die Hirten im Norden des Landes auf Einladung des Hilfswerks Misereor. Obwohl die Menschen dort so abgeschieden leben, leiden sie am stärksten unter der Weltlage. Bei Krisen, die andere verursachen, tragen sie die Folgen. Sie leiden unter Dürre und Klimawandel und tragen selbst kaum zu den klimaschädlichen Emissionen bei. Vom der Ukraine dürften die wenigsten je gehört haben und doch beeinflussen die Folgen des Krieges im fernen Osteuropa ihr Leben. Grundnahrungsmittel und Treibstoff werden unbezahlbar – auch für die internationalen Hilfsorganisationen.
Handy im Mittelalter
Die Menschen nutzen Handys, wohnen aber in traditionellen Hütten ohne Stromnetz oder Wasserversorgung. Sie kochen über Drei-Stein-Feuerstellen, wie seit Urzeiten. Die meisten sind Hirten, können weder lesen noch schreiben. Ihr Lebenszentrum sind die Tiere, nicht nur als Kapital. Rinder oder Ziegen bestimmen den Status einer Familie, vor allem aber den Lebensalltag. Ohne das Vieh verliert das ganze Leben hier seinen Sinn. Inzwischen ist es die dritte Dürre in Kenia, die der Berliner Fotograf dokumentiert, innerhalb von rund zehn Jahren. Er sagt: "Mich beeindrucken diese Menschen, denen ich unterwegs begegne. Ich selbst könnte so nicht überleben. Als Fotograf es ist wie ein Blick in eine andere, aus der Moderne gefallenen Welt." Eine Welt, die immer brüchiger wird.
Ohne Tiere kein sinnvolles Leben
Das Leben dort ist alles andere als eine Idylle. Hinter dem Hunger wartet das nächste Drama, die Perspektivlosigkeit. Ohne Tiere gibt es für die Hirtenvölker nichts zu tun. Die Dürre hat klimatische, also globale Gründe. Hinzu kommen diesmal die vergangene Heuschreckenplage, Corona und die gestiegenen Lebensmittelpreise durch den Krieg in der Ukraine. Da im Norden aufgrund des semi-ariden Bodens nichts angebaut werden kann, müssen die Nomaden Mehl kaufen, um wenigsten Maisbrei zum Essen zu haben. Während der Pandemie wurden aber die Märkte geschlossen, dadurch gingen die ganzen Tagelöhnerjobs verloren. Niemand konnte sich mehr etwas dazu verdienen.
Spenden lösen nicht alle Probleme
Inzwischen lebt die Bevölkerung in 17 Landkreisen Kenias in akuter Not. 3,5 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe. Laikipia, wo die Misereor-Partnerorganisation IMPACT (Indigenous Movement for Peace Advancement and Conflict Transformation) arbeitet, ist besonders betroffen. Roland Brockmann hält die Hilfe durch Spenden für dringend notwendig. Es sei nicht fair, zu erwarten, dass Spenden alle Probleme des Landes lösen. "Spenden sind kein Instrument der Veränderung, sondern ein Zeichen der Solidarität. Ein Weg anderen, denen es weniger gut geht, zu beizustehen." Der notwendige Strukturwandel und Zukunftskonzepte für Kenia können nicht von außen importiert werden. "Das muss Kenia als Land selbst leisten. Der Westen kann da schlecht wie ein Gärtner eingreifen." Das Vorurteil, dass die Hilfe versacke, kann er nicht bestätigen. "Mein klarer Eindruck ist: Die Hilfsgüter, die verteilt werden, kommen auch bei den richtigen Leuten an. Aber es ist eben Nothilfe, die erst mal hilft, den Bauch zu füllen." Neben der akuten Nothilfe unterstützt Misereor daher auch langfristige Projekte zur Anpassung an die veränderten klimatischen Bedingungen.
Ein gespaltenes Land
Die Lage im Land ist kompliziert. Einen Gegensatz wie den zwischen der modernen Hauptstadt und den Nomaden des Nordens gibt es in keinem europäischen Land. Nicht nur bei den Lebensbedingungen, sondern auch in der Mentalität. Die Leute in der Hauptstadt verstehen sich vor allem als Kenianer. Im Norden spielen Stammesstrukturen noch immer eine große Rolle. Verteilungskämpfe werden entlang von Ethnien ausgetragen. Mit den brutalen Methoden von vorgestern: Immer wieder werden Dörfer niedergebrannt oder wird Vieh gestohlen. Das Land ist gespalten. Nur 100 Kilometer südlich der Dürregegenden beginnt das grüne Hochland Kenias - mit fruchtbarem Lehmboden. "Da wurde jetzt gerade gut geerntet. Das Gemüse von dort können die Nomaden im Norden ohne Geld aber nicht bezahlen." Kenia ist ein relativ stabiles afrikanisches Land, auch der Machtwechsel nach der Präsidentschaftswahl im Sommer verlief entgegen von vielen Befürchtungen bislang friedlich. Ein Garant für Frieden und Einheit ist nicht zuletzt die wachsende Mittelschicht des Landes, die bei Unruhen viel zu verlieren hätte. Doch der Norden wird derzeit immer weiter abgehängt. Auf Dauer braucht es langfristige Konzepte, doch heute muss die größte Not gelindert werden.
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Stichwort: Hungersnot in Afrika