Was haben das Kyoto-Protokoll und die Pariser Klimaziele gemeinsam? Mit den beiden Abkommen hat sich die UN-Staatengemeinschaft dazu verpflichtet, das Klima zu schonen und die Emissionen in sämtlichen Bereichen drastisch zu senken. Und in beiden ist das Militär ausgenommen, dafür haben sich die USA bereits in den 1990er Jahren stark gemacht. Wie Kriege auf das Klima wirken, lässt sich bisher nur grob schätzen. Berechnungen eines belgischen Forscherteams zufolge wurden im ersten Kriegsjahr in der Ukraine so viele klimaschädliche Emissionen freigesetzt, wie etwa Länder von der Größe Belgiens im gleichen Zeitraum verursachen. 120 Millionen Tonnen CO2 sollen es gewesen sein.
Doch solche Zahlen lassen sich nur schwer berechnen, denn Staaten müssen Militäremissionen nicht öffentlich melden. Im Pariser Klimaabkommen gibt es zwar eine Klausel, wonach die Unterzeichner Zahlen dazu freiwillig offenlegen können. Verpflichtet ist aber niemand. Auch aus nationalen Sicherheitsgründen halten Länder und Rüstungsfirmen die Daten dazu deshalb weiter geheim.
Eine Studie dreier NGOs, die dem "Spiegel" vorlag, hat nun erstmals den Einfluss des weltweiten Wettrüstens auf das Klima errechnet. Die vom Transnational Institute, Tipping Point North South und Centre Delàs veröffentlichte Untersuchung zeigt, dass allein das Militär der Nato im Jahr 2021 – also vor Kriegsbeginn in der Ukraine – fast 200 Millionen Tonnen CO2 produziert hat. In diesem Jahr sollen es bisher 226 Millionen Tonnen sein. Der bisherige Ausstoß entspricht damit etwa einem Drittel der gesamten deutschen Emissionen in einem Jahr.
Kaum Daten zu deutschen Militäremissionen verfügbar
Die Forscher sprechen von einem Aufwärtstrend, der noch Jahre anhalten könnte. Die Nato hatte im vergangenen Jahr entschieden, die Militärausgaben seiner Mitgliedstaaten künftig gemessen am Bruttoinlandsprodukt auf zwei Prozent zu erhöhen – für mehr Munition, Panzer und Flieger. "Wären die Streitkräfte der Nato ein einzelnes Land, so stünde sie weltweit auf Platz 40", zitiert der "Spiegel" aus dem Bericht. Würden sich alle Nato-Mitglieder an das Zwei-Prozent-Ziel halten, könnten die Emissionen zwischen bis 2028 auf rund zwei Milliarden Tonnen CO2 steigen.
Die Forscher kritisieren in dem Bericht auch die deutsche Verteidigung. Den Berechnungen zufolge könnten die Emissionen von derzeit zehn Millionen Tonnen auf 15 Millionen im Jahr 2028 ansteigen. Das widerspreche den Klimazielen, zu denen sich Deutschland verpflichtet hat. Die Zahlen weichen von Schätzungen ab, wonach die deutsche Verteidigung derzeit für fünf Millionen Tonnen CO2 pro Jahr verantwortlich ist. Auslandseinsätze werden darin nicht erfasst. "Eine Aufteilung der Treibhausgasemissionen auf die einzelnen Staaten in verursachungsgerechter Weise nicht möglich", teilte ein Sprecher der Bundeswehr auf stern-Anfrage bereits im vergangenen Jahr mit.
Laut einer Trendtabelle des Umweltbundesamtes, die dem stern vorliegt, lagen die Emissionen des deutschen Militärs 2020 bei 373 Kilotonnen. Allerdings sind darin nur Gesamtberechnungen zu Brenn- und Kraftstoffen in militärischen Einrichtungen und von Militärfahrzeugen enthalten. Eine Sprecherin des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr bezifferte die Emissionen gegenüber dem stern auf 1,45 Millionen Tonnen für das Jahr 2019.
Green Deal ohne Militäremissionen unglaubwürdig
Großbritannien, das zu den Top fünf zu den Staaten mit den höchsten Militärinvestitionen gehört, verursacht laut dem Bericht mit seiner Armee ungefähr 6,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr – inklusive Verteidigungsministerium, Auslandseinsätzen, Rüstungsindustrie und Waffenexporten.
Für die EU fehlen dem Bericht zufolge Daten aus vielen Ländern, weshalb die Emissionen nur geschätzt werden könnten. Für Frankreich kommen die Studienautoren auf ein CO2-Äquivalent von 4,56 Millionen Tonnen pro Jahr. Frankreich sei damit für ein Drittel der europäischen Militäremissionen verantwortlich, schreiben die Forscher.
Der europäische Green Deal "hat vollständig und absichtlich alles ignoriert, was für die Klimaauswirkungen des Militärs spricht", schreiben die Forscher. Um die strengen Ziele des Deals, immerhin Netto null Emissionen bis 2050, auch tatsächlich zu erreichen, müssten die Militäremissionen aber dringend angegeben und einberechnet werden.
Werden Kriege künftig grün?
Ob wenigstens die Energiewende Kriege "sauberer" machen kann? Wohl kaum. Airbus teilte gegenüber dem stern zwar mit, dass der Strom für die Produktion im kommenden Jahr in allen Werken zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien kommen soll. Zudem hat das Unternehmen in diesem Jahr nachhaltige Treibstoffe bei bei Transportfliegern und den Solarbetrieb beim unbemannten Flugsystem Zephyr getestet. Auch von Thyssenkrupp hieß es, dass die Rüstungsindustrie künftig klimaschonender werden soll. U-Boote des Konzerns würden teilweise mit Brennstoffzellen betrieben. Diesel-Fahrzeuge bleiben aber weiterhin unschlagbar, denn der Kraftstoff ist weltweit verfügbar. Die Leistung mit fossilen Brennstoffen sei zudem besser als mit erneuerbaren Energien.
Auch die Studienautoren sind der Meinung, dass sich das Militär in Friedens- und Kriegszeiten nicht von fossilen Brennstoffen lösen können wird.