Es war in einem der vielen Stimmungsberichte zu den anstehenden US-Präsidentschaftswahlen, in dem eine ältere Dame aus Florida den ondulierten Silberkopf aus der Tür ihres Hauses steckte und dem Interviewer vom Fernsehen auf die Frage "Obama oder McCain?" zuraunte: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Süden einen Schwarzen wählt. Wollen die denn das 'Weiße Haus' dann in 'Schwarzes Haus' umbenennen?"
Mancher bei uns mag seinen Sinnen nicht trauen bei solchen Äußerungen. Oder auch beim Anblick eines T-Shirts, dass eine Bar in Georgia zum Kauf angeboten hat: Es zeigt einen Banane essenden Schimpansen über dem Schriftzug "Obama in 2008". Vorsicht allerdings bei einem zu schnellen Reflex der Art "So sind die Amerikaner halt." Weder wurde der Rassismus jenseits des Atlantiks erfunden, noch liegt dort der einzige Kontinent, auf dem er zu beobachten ist.
Frank Ochmann
Der Physiker und Theologe verbindet als stern-Redakteur natur- und geisteswissenschaftliche Interessen und befasst sich besonders mit Fragen der Psychologie und Hirnforschung. Im März erschien sein Buch "Die gefühlte Moral: Warum wir Gut und Böse unterscheiden können".
Natürlich tritt die Bevorzugung der eigenen Hautfarbe nicht nur zwischen Malibu und Miami zutage. Natürlich? Nehmen wir das mal wörtlich: Kommt es zur Diskriminierung zwischen hellen und dunkleren Tönen vielleicht wirklich, weil wir gar nicht anders können? Sind wir womöglich "von Natur aus" Rassisten, die nur inzwischen mehr schlecht als recht gelernt haben, ihre innersten Antriebe kulturell zu übertünchen und sich "tolerant" zu geben? Solange jedenfalls, bis wieder eine andere, weniger gnädige Haltung die Mehrheit gewinnt?
Kinder haben Vorurteile
Im Institut von Mahzarin Banaji an der Harvard Universität kennt man sich aus mit Vorurteilen. Seit etlichen Jahren untersucht die aus Indien stammende Sozialpsychologin wie es in unseren Köpfen zu gefühlsmäßigen Voreingenommenheiten kommt. So wurden 2006 zum Beispiel Kinder im Alter von sechs und zehn Jahren und auch Erwachsene - allesamt "Weiße" - auf ihre Einstellung zu "Weißen" und "Schwarzen" untersucht. Dabei sollte jeweils dem Bild eines Menschen ein positiv oder negativ aufgeladener Begriff wie "Liebe", "Bombe", "Freund" oder "Erbrochenes" zugeordnet werden.
Je jünger die Teilnehmer waren, desto klarer bevorzugten sie die eigene Hautfarbe durch positive Assoziationen: 84 Prozent der Sechsjährigen und 68 Prozent der Zehnjährigen. Und die Erwachsenen? Ließ man ihnen Zeit zum Nachdenken, wurden positive Begriffe sogar leicht überwiegend den Bildern schwarzer Menschen zugeordnet. Das änderte sich aber sofort, wenn die Zuordnung aus dem Bauch heraus erfolgen musste. Dann waren sich alle Altersgruppen einig: Weiß vor Schwarz.
"Wir hier" und "die da"
Dass es bei solchen Vorurteilen allerdings nicht wirklich um die Farbe der Haut eines Menschen geht, sondern eher um die Frage "Zu wem gehöre ich?", zeigt eine Untersuchung der Universität von Tel Aviv mit israelischen Kleinkindern. Stammten die zum Beispiel von eingewanderten äthiopischen Familien mit dunkler Hautfarbe, zeigten die Sprösslinge bei Test in der neuen, mehrheitlich von Weißen bewohnten Umgebung keinerlei Bevorzugung bestimmter Gesichter und schauten darum auch gleich lange auf Porträtfotos, egal, ob Weiße oder Schwarze abgebildet waren. Wiederholte man diese Versuche aber mit Kleinkindern, die weiter in Äthiopien - und damit mehrheitlich unter Menschen mit dunkler Hautfarbe - lebten, bevorzugten diese Kinder tatsächlich die Porträts Dunkelhäutiger. Dass wir überhaupt eine Präferenz ausbilden und Gruppen einteilen - "wir hier" und "die da" - scheint tatsächlich Teil unseres evolutionären Erbes zu sein. Doch nach welchen Kriterien wir dabei vorgehen, hängt von der Umgebung ab, in der wir leben. Offenbar gehen wir dabei gern mit der Mehrheit. Dass die Hautfarbe dabei aber kein unumgängliches und auch kein sehr starkes Kriterium ist, zeigt sehr eindrucksvoll eine dritte Studie, die am Zentrum für evolutionäre Psychologie der University of California in Santa Barbara durchgeführt wurde.
Trikotfarbe vor Hautfarbe
Den fast durchweg hellhäutigen Versuchsteilnehmern wurden am Monitor die Fotos von jeweils vier weißen und vier schwarzen jungen Männern gezeigt und dazu vom Band Sätze vorgespielt, die einen zugrunde liegenden Streit zwischen zwei Basketball-Teams vermuten ließen. Alle Männer auf den Fotos trugen im ersten Teil des Tests Trikots derselben Farbe. Wie also würden die Versuchsteilnehmer entscheiden, wer hier gegen wen wetterte und wer gemeinsam zu einem Team gehörte? Tatsächlich war die Hautfarbe in diesem Teil des Versuchs das stärkste Kriterium. Weiß zu weiß, schwarz zu schwarz. Der zweite Teil des Tests verlief fast genauso wie der erste. Jetzt aber trugen die Männer auf den Fotos verschiedene Trikots, so dass je zwei Weiße und zwei Schwarze Trikots derselben Farbe trugen. Und sofort spielte die Hautfarbe keine Rolle mehr. Wurden jetzt die verbalen Streitereien vom Band zu den Fotos eingespielt, ordneten die meisten Probanden die acht jungen Männer einander nach der Trikotfarbe zu und nicht mehr nach der ihrer Haut. Ganze vier Minuten dauerte es, bis ein inneres Rassenkonzept zusammenbrach, mit dem die Probanden zeit ihres bisherigen Lebens herumgelaufen waren. Durch ein paar simple farbige Trikots war plötzlich alles anders.
Literatur:
Baron, A. S. & Banaji, M. R. 2006: The Development of Implicit Attitudes - Evidence of Race Evaluations From Ages 6 and 10 and Adulthood, Psychological Science 17, 53-58
Bar-Haim, Y. et al. 2006: Nature and Nurture in Own-Race Face Processing, Psychological Science 17-159-163
Kurzban, R. et al. 2001: Can Race Be Erased? Coalitional Computing and Social Categorization, PNAS 98, 15387-15392