CO2-Lagerung Das Klimagas kommt in den Keller

Von Sven Titz
Ganz Europa schaut auf Ketzin in Brandenburg. Dort steht eine Versuchsanlage, mit der man das Klimagas CO2 tief in der Erde begraben will. Erste Ergebnisse werden zwar erst in zwei Jahren zeigen, ob die CO2-Lagerung taugt. Doch Energiekonzerne hoffen schon jetzt auf das ganz große Geschäft.

Neben dem CO2-Tankwagen stehen zwei Speichertürme; im Hintergrund ragt der Bohrturm auf. Hier im brandenburgischen Ketzin, 30 Kilometer westlich von Berlin, soll künftig das Treibhausgas Kohlendioxid in die Erde gepumpt werden. Das Projekt passt gut in die idyllische Gegend: Rings um Ketzin wechseln sich Felder mit Baumgruppen ab, und an ein paar Windkraftanlagen sieht man, dass die Gemeinde schon länger an die Umwelt denkt.

60.000 Tonnen CO2 sollen ins Gestein gepumpt werden

Es ist ein Test, der in Ketzin stattfindet: Vermutlich kann die Menschheit die Entstehung von Kohlendioxid nicht vermeiden - ist es dann möglich, das Gas im Boden verschwinden zu lassen? An diesem schwülwarmen Mittwoch wird nach der ersten Bohrung feierlich die zweite Etappe des Projekts CO2SINK eingeläutet: Nun wird die Injektionsanlage gebaut und geprüft. Die Anzugträger mit den blauen Helmen erleben am eigenen schwitzenden Leib, wie sich ein Treibhausklima anfühlt.

"Wir wollen hier 60.000 Tonnen CO2 in das Speichergestein pumpen", sagt Rolf Emmermann, der Gründungsdirektor des Geoforschungszentrums (GFZ) in Potsdam. Er hat das vom GFZ geleitete Projekt CO2SINK mit aus der Taufe gehoben. Damit soll geklärt werden, ob die Speicherung von CO2 machbar und wirtschaftlich ist, erklärt der Geologe. In zwei Jahren ist eine Antwort zu erwarten; die Injektion des Gases beginnt im Herbst.

Weil Ketzin nicht als künftiger Speicherort für CO2 aus Kraftwerken gedacht ist, sondern als ein Testprojekt, wird das Kohlendioxid von der Linde AG aus Leuna per LKW angeliefert. Mit einem Reinheitsgrad von 99,9 Prozent besitzt es Lebensmittelqualität. Das dürfen die Gäste der Feier anhand von Wasser testen, das mit CO2 zu Sprudel verwandelt wird.

So dicht wie eine Flüssigkeit, vom Verhalten her aber noch Gas

Die zwei hohen CO2-Tanks dienen als Zwischenspeicher. Von dort soll das Gas künftig in die Tiefe gepumpt werden. Unten herrscht dann Computerberechnungen zufolge eine Temperatur von 35 bis 37 Grad Celsius und ein hoher Druck. Er versetzt das Kohlendioxid in einen seltsamen Zustand: Es ist dann so dicht wie eine Flüssigkeit, verhält sich aber wie ein Gas. So lässt sich besonders viel CO2 speichern, sagt Emmermann.

Wie wichtig die Technik der Kohlendioxid-Speicherung ist, erläutert Joachim Würmeling, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, anhand von Prognosen der Internationalen Energiebehörde: Selbst im Jahr 2050 werden demnach 70 Prozent der global genutzten Energiequellen fossil sein. Doch Erdöl, Erdgas und Kohle setzen bei der Verbrennung CO2 frei. "Ketzin hat weltweite Bedeutung", sagt Würmeling.

Im Prinzip lässt sich Kohlendioxid in alten Erdgas- und Erdöllagerstätten ebenso speichern wie in "salinen Aquiferen" - das sind wasserleitende Gesteinsschichten mit hohem Salzgehalt wie in Ketzin. Der Ort in Brandenburg bietet sich aber auch deshalb an, weil hier schon zu DDR-Zeiten Stadtgas und später Erdgas gelagert wurde. Das ging erst 2004 zu Ende, berichtet der GFZ-Experte Frank Schilling, der das Projekt CO2SINK nun leitet. Das CO2 kommt jedoch nicht in den alten DDR-Gasspeicher. "Wir bohren 300 Meter tiefer", sagt er. Das Kohlendioxid gelangt so in eine poröse Gesteinsschicht zwischen 600 und 800 Meter Tiefe. Die Poren des Gesteins machen 25 Prozent seines Volumens aus und sind mit Salzwasser gefüllt. Das wird durch das eingelagerte Gas verdrängt. Nach oben hin halten Tonschichten den Speicher dicht.

Ganz Europa interessiert sich für das Projekt

Damit nichts schief geht, hat das GFZ-Team die Lagerstätte detailliert untersucht: Mit Verfahren aus der Erdbebenforschung wurden die Gesteinsschichten kartiert. Anhand von zwei zusätzlichen Schächten soll künftig die Injektion beobachtet werden - der erste der beiden Schächte wird zurzeit gebohrt und dann mit Sensoren bestückt. An der Oberfläche überwachen weitere Sensoren die Ausgasung von CO2. "Das Gas kommt durch natürliche Prozesse ständig aus dem Boden", sagt Schilling.

Ganz Europa interessiert sich für das Projekt CO2SINK. Das zeigt sich nicht nur an der wissenschaftlichen Konferenz zur CO2-Speichertechnik am GFZ an diesem Mittwoch. Europa sei bei den modernen Technologien für Kohlekraftwerke und die Abscheidung und Speicherung von CO2 weltweit führend - das eröffne Chancen für Exporte nach China und Indien, sagt der lettische EU-Energiekommissar Andris Piebalgs. Darum unterstützt die EU das Projekt in Ketzin mit 8,7 Millionen Euro. 18 Partner aus 10 europäischen Ländern sind mit von der Partie. Eine Reihe von Energiefirmen beteiligen sich mit je ungefähr einer halben Million Euro. Berücksichtigt man alle Projekte, die mit CO2SINK zusammenhängen, dann kommt man auf ein Kostenvolumen von 35 Millionen Euro.

Großes Interesse an dem Ketziner Experiment hat auch Kurt Häge. Er leitet die "European Technology Platform on Zero Emission Fossil Fuel Power Plants" - sie wurde 2005 gegründet, um fossile Kraftwerke ohne CO2-Ausstoß zu entwickeln. Die EU hat schließlich das Ziel ausgegeben, bis zum Jahr 2050 die weltweiten CO2-Emissionen um die Hälfte zu verringern. "Möglicherweise ist die Erzeugung von Energie mit fossilen Energieträgern und der Speicherung von CO2 vorerst günstiger als erneuerbare Energiequellen", vermutet Häge.

CO2-Abscheidetechnik wird parallel erprobt

Die Abscheidetechnik wird derzeit im Kraftwerk Jänschwalde (Brandenburg) durch das Energieunternehmen Vattenfall und die Brandenburgische Technische Universität Cottbus getestet. In einem Jahr kommt eine Pilotanlage beim Kraftwerk "Schwarze Pumpe" in der Lausitz hinzu. Das Kraftwerk erzeugt pro Jahr derzeit 10 Millionen Tonnen CO2 - dagegen nehmen sich die 60.000 Tonnen CO2, die in Ketzin gespeichert werden sollen, kümmerlich aus. Doch die Experten versichern, dass es weltweit genug saline Aquifere für die Speicherung des Gases gebe.

Der GFZ-Gründungsdirektor Emmermann schaut an diesem Festtag der CO2-Speicherung zufrieden in die Menge - und freut sich über das passende Wetter. Unter dem weißen Zelt, wo die offiziellen Reden geschwungen werden, staut sich die Hitze. "Da bekommen wir einen Eindruck, wie es sein wird, wenn wir nichts tun", sagt er.

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