"Jetzt erst recht", erklärt die Leiterin des UN-Klimasekretariats, Christina Figueres, wenige Stunden nach der verheerenden Terrorserie von Paris. Auch Frankreichs Regierung will den UN-Klimagipfel nicht absagen, der am kommenden Montag in Paris beginnen soll. Dass mehr als 130 Staats- und Regierungschefs zum Auftakt in der vom Terror verwundeten französischen Hauptstadt anreisen, soll nicht nur zeigen, dass sie die Risiken des Klimawandels ernst nehmen. Es soll auch ein Beweis sein dafür, dass sich die Weltgemeinschaft nicht dem Diktat islamistischer Fanatiker unterwirft.
Für die Delegierten aus 195 Nationen wird der Gipfel nicht nur aufgrund der strengen Sicherheitsvorkehrungen rund um den Konferenzort in Le Bourget anstrengend. Es ist auch keineswegs sicher, dass der neue Weltklimavertrag, der ab 2020 gelten soll, überhaupt zustande kommt.
Die Klimakonferenz in Zahlen
Am kommenden Montag beginnt in Paris der Weltklimagipfel. Mindestens 138 Staats- und Regierungschefs werden zum Auftakt erwartet - nach Angaben aus dem Élyséepalast so viele, wie noch nie zuvor an einem Tag am gleichen Ort waren. Auch sonst ist es ein Gipfel der großen Zahlen: 40.000 bis 45.000 Menschen werden auf dem Gelände des alten Flughafens Le Bourget nördlich von Paris erwartet. An den Verhandlungen sind 195 Länder und die Europäische Union beteiligt, sie schicken 10.000 Delegierte. 14.000 Vertreter von fast 2000 Nichtregierungsorganisationen dürfen ins Konferenzzentrum. Mehr als 3000 Journalisten sind akkreditiert, um vor Ort über die Klimaverhandlungen zu berichten. Mehr als doppelt so viele hatten sich beworben.
Außerdem ist schon jetzt klar: Die von den Teilnehmerstaaten angekündigten Maßnahmen zur Begrenzung der klimaschädigenden Treibhausgas-Emissionen reichen nicht aus. Denn selbst wenn alles so wie versprochen umgesetzt werden sollte, würde die Temperatur auf unserem Planeten um 2,7 Grad im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung steigen. Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass die Folgen des Klimawandels nur dann einigermaßen erträglich bleiben, wenn ein Anstieg um mehr als zwei Grad verhindert wird.
Resignation wäre fatal
Doch ist das überhaupt noch realistisch? Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sagt: Ja. "Wir sollten jetzt nicht in Depression verfallen, es ist noch nicht zu spät", beteuert er. Eine Voraussetzung dafür, dass das Zwei-Grad-Ziel doch noch erreicht werden kann, ist seiner Ansicht nach eine noch deutlichere Abkehr der Industrienationen von fossilen Brennstoffen.
Einige Staaten haben zudem ihre Bereitschaft signalisiert, noch einmal nachzubessern. Auch die Bundesregierung hofft, dass in Paris ein Klimavertrag mit einem "Ambitionsmechanismus" unterzeichnet wird. Das heißt: Alle Vertragsstaaten sollen ihre Anstrengungen für die Reduzierung von CO2 und anderen Treibhausgasen nach dem geplanten Inkrafttreten des Vertrages im Jahr 2020 noch einmal verstärken. Dabei hofft man auch, dass der technische Fortschritt helfen wird, den Anteil erneuerbarer Energie weltweit zu steigern. Die Rede ist von einer Überprüfung der Klimaziele alle fünf Jahre. Beschlossen ist das aber noch nicht.
Korallenriffe - kaum mehr zu retten
Auf der Bremse stehen in Sachen Klimaschutz unter anderem Golfstaaten wie Saudi-Arabien, für die der Export von Öl und Gas mit Abstand die wichtigste Einnahmequelle ist. Allerdings würden die Golfaraber neben den Bewohnern kleiner Inselstaaten zu den Menschen gehören, die besonders stark unter den Folgen der Erderwärmung zu leiden hätten. Forscher des Massachusetts Instituts für Technologie gehen davon aus, dass - wenn es keine radikale Kehrtwende gibt - einige Landstriche der Region im Jahr 2070 unbewohnbar sein werden.
Levermann schätzt, "dass wir schon bei plus 1,5 Grad die meisten Korallenriffe verlieren werden". Er sagt, der durch die Erwärmung wahrscheinlich zu erwartende Anstieg des Meeresspiegels im nächsten Jahrhundert müsse niemandem Angst einjagen. Denn die Bewohner der dadurch bedrohten Küstenstädte könnten sich ja rechtzeitig in Sicherheit bringen. Wirklich beruhigend klingt das aber nicht. Auch viele pazifische Inselstaaten wären schon ab einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad Celsius vom steigenden Meeresspiegel bedroht.
Rückenwind erhalten die Klimaschützer bei ihrem Gipfel diesmal auch von Religionsführern. Papst Franziskus hat in seiner Umwelt-Enzyklika dazu aufgerufen, die globale Erwärmung zu stoppen. In einer Erklärung buddhistischer Religionsgelehrter zur Klimakonferenz heißt es: "Unsere mangelnde Einsicht führt dazu, dass wir genau die Systeme zerstören, auf die wir uns für unser Überleben und das aller anderer Lebewesen verlassen."
Öffentliche Proteste - diesmal verboten
Den bei Klima-Konferenzen sonst üblichen Druck von der Straße werden die Delegierten diesmal allerdings nicht spüren. Denn die französische Regierung hat nach der Terrorwelle vom 13. November alle öffentlichen Kundgebungen verboten - auch für Klimaschützer.
Die Bundesregierung will die deutschen Treibhausgas-Emissionen von 1990 bis 2030 um 55 Prozent senken. Einige Umweltverbände halten das nicht für realistisch - es sei denn Deutschland würde schon bald ganz aus der Kohle aussteigen. Auch wenn Deutschland in Sachen Klimaschutz von vielen Staaten als Vorreiter wahrgenommen wird: Noch wichtiger ist die Entwicklung in den USA und in China, die zusammen für etwa 40 Prozent der Treibhausgase verantwortlich sind. Zwar haben beide Klimasünder Besserung gelobt. Doch die Experten sind mit den Zusagen nicht zufrieden. Vor allem Chinas Ankündigung, seine Emissionen würden spätestens ab 2030 nicht mehr steigen, ist ihnen zu lapidar. Denn wer weiß, wie hoch Chinas CO2-Ausstoß in 15 Jahren sein wird.