Noch vor wenigen Jahren war das sogenannte Geo- oder Climate-Engineering ein Randthema der Wissenschaft. Mittlerweile hat das Nachdenken über großtechnische Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel Konjunktur. "Heute reden alle darüber", sagt der Heidelberger Umweltphysiker Thomas Leisner. Grund ist nach seinen Worten unter anderem die schwindende Hoffnung, dass es der Menschheit noch gelingen könnte, mit einer CO2-Reduzierung den Temperaturanstieg auf der Erde zu begrenzen. Die Risiken und Nebenwirkungen der "Arzneien für das Klima" aber sind nicht überschaubar.
Der Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen belebte die Diskussion vor drei Jahren mit einem schon älteren Vorschlag, der derzeit als ernsthafteste Möglichkeit eines "Herumklempnerns am Klima" gilt: Danach sollen Millionen Tonnen Schwefeldioxid (SO2) in die obere Atmosphäre gebracht werden. Das Gas soll dort nach chemischen Reaktionen Wolken bilden, welche das einfallende Sonnenlicht teilweise zurückwerfen. Im Prinzip klappt das: Nach dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen 1991 kühlte sich die Erdoberfläche ab. Das SO2 könnte mit Ballons oder per Schiffsartillerie in die Stratosphäre gebracht werden. Die Methode sei relativ billig und der "Sonnenschirm" aus Schwefel wäre relativ stabil, sagt Leisner, der an einem Forschungsprojekt der Universität Heidelberg zum Geo-Engineering beteiligt ist.
Ein Eingriff in das System
Doch die Gefahren sind nach seiner Einschätzung groß: Das CO2 bleibe in der Atmosphäre und "kann seine nichtklimatischen Wirkungen wie die Versauerung der Ozeane munter weiter betreiben", warnt der Umweltphysiker. Zudem dürfte das Wettergeschehen auf der Erde umgekrempelt werden, weil die Erwärmung nur dort gebremst wird, wo es hell ist, vor allem also je nach Jahreszeit nördlich oder südlich des Äquators. "Das System wird in einen neuen Gleichgewichtszustand getrieben", erläutert Leisner. "Tiefdruckgebiete ziehen in anderen Bahnen, der Monsun verändert sich, die Passatwinde nehmen eine andere Richtung." Schon nach dem Pinatubo-Ausbruch wurden Verschiebungen der Niederschlagszonen beobachtet.
Weit oben in der Gunst der Geo-Engineering-Befürworter steht auch die Idee, über den südlichen Ozeanen in großen Mengen Meerwassertröpfchen verdunsten zu lassen. Die Salzkristalle als zusätzliche Kondensationskeime sollen dazu führen, dass sich die Zahl der Wassertröpfchen in den Wolken erhöht, was diese wiederum aufhellt. Versprüht werden könnte das Wasser von Schiffen mit skurril anmutenden, windgetriebenen Rotoren. Allerdings müsste man jedes Jahr 1000 solcher Schiffe vom Stapel lassen, um die Erderwärmung zu bekämpfen. Das Prinzip sei zwar einfach, aber ob es technisch durchführbar ist, ist nicht geklärt, sagt Leisner, der selbst diesen Vorschlag auf seine Machbarkeit hin abgeklopft hat: "Es ergeben sich immense technische Probleme."
Künstliche Bäume sollen CO2 aufnehmen
Immer weniger Anhänger findet der Vorschlag, das Algenwachstum in den Ozeanen mit Eisendüngung anzukurbeln. Die Pflanzen binden CO2 und sinken nach ihrem Absterben auf den Meeresboden - in der Theorie. Zuletzt sorgte ein Experiment des deutschen Forschungsschiffs "Polarstern" in antarktischen Gewässern für Ernüchterung. Es zeigte: Im Südozean funktioniert das nicht wie erhofft.
Neben solchen ernsthaft erwogenen Geo-Engineering-Methoden gibt es eine Fülle fantasievoller Vorschläge, wie die Erde mit High-Tech vor dem Klimakollaps zu retten sei: Millionen kleiner Sonnensegel aus Silizium, die mit Spezialkanonen ins All geschossen werden, schatten die Erde ab. Der US-Forscher Klaus Lackner bastelt an künstlichen Bäumen, die CO2 aus der Luft filtern sollen. Und könnte man nicht einfach die Erde auf eine etwas entfernte - und damit kältere - Bahn um die Sonne lenken?
Ausrede, um nicht handeln zu müssen?
Kritiker wenden ein: Allein die Diskussion über Geo-Engineering könne als Ausrede für Nichtstun bei den Bemühungen zur Reduzierung der Treibhausgase gelten. Aber Forscher wie der Harvard-Professor Dan Schrag geben zu Bedenken, dass erst die wissenschaftliche Beschäftigung mit solchen Modellen, die als eine Art Notnagel für die Menschheit angesehen würden, ihre Schwächen offenbart.
Leisner, der dem Geo-Engineering skeptisch gegenübersteht, kann das nur bestätigen: "Mein Eindruck ist, dass viele dieser Dinge einfach widerlegt werden können", sagt der Professor, der auch am Karlsruher Institut für Technologie forscht. "Bei den meisten Vorschlägen gibt es den gleichen Effekt wie beim Scheinriesen in Michael Endes Kinderbuch 'Jim Knopf': Je näher man kommt, desto mehr schrumpfen sie zusammen."
Auch der Umweltethiker Konrad Ott steht diesen Vorschlägen skeptisch gegenüber. Die bisherigen Konzepte berücksichtigten nicht ausreichend die Folgen für die komplexen Ökosysteme auf der Erde und befänden sich zudem in einer völkerrechtlichen Grauzone. Zwar könne eine einzelne Nation technisch in der Lage sein, etwa Millionen Tonnen Schwefeldioxid-Partikel in der Stratosphäre auszubringen. "Aber kein Land ist befugt, eine solche Entscheidung für die Weltgemeinschaft zu treffen", sagt Ott. Das sei Sache internationaler Gremien wie der Vereinten Nationen. "In dieser Frage wird die Menschheit jedoch nie einen Kompromiss finden."