46 Staaten, darunter Deutschland, stellten sich am Samstag zum Abschluss einer zweitägigen Konferenz in Paris hinter die Initiative des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac, das UN-Umweltprogramm (UNEP) zu stärken. Widerstand kam von großen CO2-Emittenten wie den USA, Indien, China und Russland. Sie fürchten, eine gestärkte UN-Umweltorganisation (UNEO) könnte scharfe Regeln zum Umweltschutz festlegen und ihre Einhaltung erzwingen.
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Chirac: "Das ist unsere Verantwortung"
Zu den Befürwortern zählt dagegen der deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD): "Wir brauchen international schlagkräftige und effektive Strukturen", sagte er. Deswegen müsse das Umweltprogramm zu einer Organisation aufgewertet werden. Auch der frühere US-Vizepräsident Al Gore schloss sich der Initiative an. Chirac schloss die Konferenz am Samstag mit einem "Pariser Appell", der eine massive Mobilisierung gegen die Erderwärmung fordert. Die Risiken des Klimawandels würden mit jedem Tag größer, sagte der Präsident. Die Umweltpolitik müsse deswegen effizienter, schneller und zusammenhängender werden. "Das ist unsere Verantwortung", betonte Chirac. Offenbar mit Blick auf die USA kritisierte er, dass "einige große Länder - große, reiche Länder - erst noch überzeugt werden müssen". Die Bemühungen, eine Umweltorganisation zu schaffen, sollen bei einem nächsten Treffen im Frühling in Marokko weiterverfolgt werden.
Die Umweltkonferenz rief alle Staaten dazu auf, sich anzuschließen und außerdem eine "universelle Erklärung der Umweltrechte und - pflichten" zu beschließen. Das Modell des Wirtschaftens auf der Basis "zügelloser Verschwendung der Naturressourcen" müsse einem Modell nachhaltigen und ökologischen Wachstums weichen.
Der am Freitag auf der Pariser Konferenz vorgestellte UN- Klimabericht prognostiziert einen Temperaturanstieg um bis zu 6,4 Grad und die Erhöhung des Meeresspiegels um bis zu 59 Zentimeter bis Ende des Jahrhunderts. Als Konsequenz warnte Umweltbundesamt- Präsident Andreas Troge bereits vor der Ausbreitung in Deutschland unbekannter Krankheiten. In der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) riet er, den öffentlichen Infektionsschutz zu verstärken.
Vorreiterrolle Deutschlands gefordert
UN-Generalsekretär Ban verlangte als Reaktion auf den Klimabericht eine weltweite Antwort. Angesichts der bedrohlichen Geschwindigkeit, die der vom Menschen verursachte Klimawandel angenommen habe, müsste schneller und mit größerer Entschiedenheit gehandelt werden. Bundesminister Gabriel forderte in der "Welt" (Samstag) einen Welt-Klimagipfel aller Staats- und Regierungschefs der UN.
Vor dem Hintergrund des seit Monaten andauernden Streits zwischen EU und Deutschland über die Höhe zulässiger Kohlendioxid-Emissionen attackierte Umweltkommissar Dimas Berlin mit deutlichen Worten. Die Bundesrepublik unternehme zwar "ehrliche Bemühungen, ist aber leider derzeit keineswegs Vorreiter beim Klimaschutz", sagte er der "Bild am Sonntag". Andere Staaten seien bereits näher an ihrem Kyoto-Ziel, etwa Großbritannien und Schweden. "Andere wiederum verstecken sich hinter Deutschland. Erst wenn Deutschland den schönen Reden Taten folgen lässt, können auch die anderen sich nicht mehr verstecken."
Merkel lehnt Tempolimit ab
Demgegenüber betonte Bundeskanzlerin Merkel in dem Blatt: "Schon heute erbringt Deutschland allein 75 Prozent der in der EU insgesamt zwischen 2008 und 2012 zu erbringenden Senkung der Treibhausgase." Sie beharrte auf der deutschen Position: "Wir brauchen ein international abgestimmtes Vorgehen. Die EU soll sich daher verpflichten, den CO2-Ausstoß bis 2020 insgesamt um 30 Prozent zu verringern. Wir werden dabei zunächst 20 Prozent anbieten, 30 Prozent bieten wir an, wenn auch Länder wie die USA mitmachen."
Merkel plädierte zudem erneut dafür, in der EU nach Autogröße gestaffelte Abgasgrenzwerte einzuführen. In der Kommission selbst ist umstritten, ob dabei pauschale oder nach Fahrzeuggröße gestaffelte Werte gelten sollen. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) mahnte in der Berliner "B.Z. am Sonntag": "Das darf weder Arbeitsplätze gefährden noch das Autofahren teurer machen. Deshalb brauchen wir Zeit, um Festlegungen zu treffen."
Die Grünen warfen der Kanzlerin "pure Heuchelei" vor. Statt auf Vorleistungen anderer Länder zu hoffen, solle sich Deutschland eine CO2-Minderung um 40 Prozent bis 2020 zum Ziel setzen. "Dann wird eine EU-weite Schadstoff-Verringerung um 30 Prozent möglich", argumentierte Fraktionschefin Renate Künast.