Mit drei Weichenstellungen innerhalb von nur 24 Stunden stärkt Europa seine Eigenständigkeit nicht zuletzt gegenüber den USA, sichert Arbeitsplätze und setzt auf Zukunftstechnologien. In Paris fielen die Würfel für Raumfahrt-Entscheidungen, die der Branche in Zeiten der tiefen Krise ein Licht am Ende des Tunnels versprechen.
Da ist zum einen der Startschuss nach monatelangem Gerangel für das 3,5 Milliarden Euro teure Satelliten-Navigationssystem Galileo. Dazu kommt die Einigung der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) auf ein Programm, das ebenfalls mit einem Finanzkraftakt der "Alten Welt" ihren eigenen Weltraum-Zugang sichert - über die Ariane-Rakete.
Gemeinsames Rüstungsprogramm
Passend zu diesen beiden wichtigen Entscheidungen an der Seine besiegelten sieben europäische NATO-Länder am Dienstag in Bonn nach jahrelangen Auseinandersetzungen endgültig eines der ehrgeizigsten Rüstungsprogramme: Der supermoderne Airbus-Militärtransporter A400M hat ein Finanzvolumen von 20 Milliarden Euro, könnte auch in anderen Ländern Kunden gewinnen und zum "Vorzeigebeispiel" für militärische Zusammenarbeit der Europäer werden. Kurz zuvor erst war entschieden worden, dass auch das Triebwerk des A400M doch von einem europäischen Konsortium gefertigt wird - und nicht von amerikanischer Konkurrenz.
"Wir haben die Weichen für die Zukunft gestellt", freute sich Bundesforschungsministerin und ESA-Ministerratsvorsitzende Edelgard Bulmahn nach der Zustimmung aller zu dem "Galileo"-Aufbau und zu der Rettungsaktion für die angeschlagene europäische Trägerrakete Ariane. "Europa spielt wieder mit, und das nach einer Menge Unsicherheit", so würdigte auch der Vorsitzende der französischen Parlamentariergruppe für Weltraumfragen, Prof. Christian Cabal, die "politische Dimension" der Ministerbeschlüsse von Paris. "Ohne Trägerrakete wird es keine europäische Raumfahrt geben", hatte die Pariser Forschungsministerin und Raumfahrerin Claudie Haigneré ihre Kollegen vorher noch gewarnt.
Europa plant ein Netz von Galileo-Satelliten
Der schwere Einbruch beim Satelliten-Geschäft und der spektakuläre Fehlstart der neuen Ariane-5-Plus Ende 2002 hatten Arianespace (die Betreibergesellschaft der Trägerraketen) in tiefrote Zahlen und eine bedrohliche Krise gestürzt. Die Internationalen Weltraumstation (ISS) soll weiter aufgebaut und betrieben werden, und Europa plant das Netz von 27 Galileo-Satelliten. Und all dies ohne eine wettbewerbsfähige und erfolgreiche Ariane-Trägerrakete? Also einigten sich die Minister trotz aller Sparzwänge darauf, 1,2 Milliarden Euro locker zu machen, vereinbarten mit der Industrie einen Festpreis von 136 Millionen Euro pro Ariane-Start und setzen nun darauf, dass sich das alles auszahlt.
Bezahlt machen soll sich vor allem das Galileo-Programm, bei dem ESA und die Europäische Union (EU) erstmals eng zusammenarbeiten. Das teuerste EU-Projekt wird der Dreh- und Angelpunkt eines europäischen Verkehrsmanagements aus der Luft sein und dem amerikanischen GPS die Stirn bieten. Wiederholt hatten die europäischen Forschungsminister daran erinnert werden müssen, dass die US-Konkurrenz mit erheblich mehr staatlicher Rückendeckung an den Start geht. Der Weltmarkt für die Satelliten-Navigation wird auf etwa 40 Milliarden Euro geschätzt. Wirtschaftlich, politisch und auch strategisch wichtig, soll Galileo nun bis zu 140 000 - nicht zuletzt deutsche - Arbeitsplätze schaffen.
Arbeitsplätze schaffen und sichern
Qualifizierte Arbeitsplätze und Europas Rolle in der Raumfahrt sicherten die ESA-Minister nebenbei auch durch andere Schritte. So soll die russische Sojus-Trägerrakete vom europäischen Startbahnhof Kourou in Französisch-Guyana aus starten. Europa gibt damit Russland ein Signal für eine vertiefte Zusammenarbeit. Für die Sojus, dieses verlässliche Arbeitspferd der russischen Raumfahrt, muss im Dschungel von Kourou eine eigene Startrampe gebaut werden. Außerdem machten die Minister 124 Millionen Euro für die Weltraumstation ISS frei - damit wird auch das europäische Transportsystem ATV finanziert. So ist ein Bündel geschnürt worden, das Europas technologische Zukunft aufhellt.
Hanns-Jochen Kaffsack