Schächten und Tierschutz
Interview mit Wilfried Jores, Gründer des europäischen politischen Arbeitskreises für Tierrechte in Europa (PAKT e.V.)
Herr Jores, warum kann man beim Schächten die Tiere nicht vorher betäuben?
Wenn ein Tier nach religiöser Vorschrift geschächtet werden soll, darf es beim Ausbluten nicht tot sein. Daher darf das Tier bei der Betäubung nicht sterben. Es gibt jedoch die Möglichkeit einer Kurzzeitbetäubung per Elektroschock. Die hält lange genug an, sodass die Ausblutung erfolgen kann.
Warum verwendet der klagende muslimische Metzger nicht diese Betäubung?
Er behauptet, sie widerspreche muslimischem Gesetz. Es gibt aber durchaus muslimische Gemeinden, die die Elektrobetäubung begrüßen und eine Zulassung dieser Methode anstreben. Das Problem ist, dass die Muslime in Deutschland nicht einheitlich organisiert sind, und es schwierig ist, eine solche Verordnung flächendeckend durchzusetzen. Ein weiteres Problem: Viele Tiere - vor allem zu muslimischen Festen sind das tausende - werden von Laien-Metzgern geschlachtet.
Wie erkenne ich geschächtetes Fleisch?
Es muss nicht ausgezeichnet werden. In einem jüdischen Laden kann man davon ausgehen, dass das Fleisch koscher, also geschächtet ist. In einem muslimischen Laden in der Regel auch.
Wie hoch ist die Dunkelziffer beim Schächten?
Die lässt sich nicht beziffern.
Mit Verweis auf die Religionsfreiheit ließ der 3. Senat am Donnerstag in einer Grundsatzentscheidung das Schlachten ohne Betäubung zu. Die Richter knüpften eine Erlaubnis aber an strenge Auflagen. Mit dem Urteil hat sich der türkische Metzger Rüstem Altinküpe nach jahrelangem Rechtsstreit gegen den Lahn-Dill-Kreis durchgesetzt. Es ist das erste höchstrichterliche Urteil, nachdem Deutschland den Tierschutz ins Grundgesetz aufgenommen und zum Staatsziel erklärt hat.
Hintergrund war ein mehr als neunjähriger Rechtsstreit zwischen dem türkischen Metzger Rüstem Altinküpe aus dem hessischen Aßlar und den Behörden des Lahn-Dill- Kreises. Diese wollen dem Metzger seit 1995 eine Ausnahmegenehmigung für das Schlachten ohne Betäubung nach islamischen Ritus verweigern.
Die Leipziger Richter mussten die Belange der Religionsfreiheit und des Tierschutzes abwägen. Es ist die erste höchstrichterliche Entscheidung, nachdem Deutschland den Tierschutz im Jahr 2002 in das Grundgesetz aufgenommen und zum Staatsziel erklärt hat. Dabei muss der 3. Senat ein Urteil des Bundesverfassungsgericht vom Januar 2002 beachten. Darin hatten die Karlsruher Richter mit Verweis auf die Religionsfreiheit das Schächten generell für rechtmäßig erklärt.
Zwingende religiöse Gründe?
Das Tierschutzgesetz (Paragraf 4a) schreibt vor, dass warmblütige Tiere nur nach vorheriger Betäubung geschlachtet werden dürfen. Eine Ausnahmegenehmigung sieht das Gesetz vor, wenn zwingende religiöse Gründe ein betäubungsloses Schächten erforderlich machen. Darauf berief sich der 39 Jahre alter Metzger Altinküpe, der seit mehr als 24 Jahren in Deutschland lebt und den Beruf seit 18 Jahren ausübt.
Schächten
Das vom jüdischen und islamischen Glauben vorgeschriebene Schächten wird nach speziellem Ritus vorgenommen: Mit einem langen, spitzen Messer wird ein Schnitt quer durch Halsschlagader, Speise- und Luftröhre des Tieres geführt. Das Tier muss voll ausbluten, nur dann kann das Gebot befolgt werden, sich des Blutgenusses zu enthalten. Dem Tierschutzgesetz zufolge darf ein Tier aber nicht ohne Betäubung getötet werden.
Seine Kundschaft esse nur geschächtetes Fleisch, argumentierte er. Mit einem Schächt-Verbot würde seine wirtschaftliche Existenz bedroht, sagte der vierfache Familienvater. Bis 1995 hatte er eine Ausnahmegenehmigung für das Schlachten ohne Betäubung. Diese wurde nach einem früheren Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in einem anderen Fall nicht mehr erteilt. In Folge dessen kam es zu dem Rechtsstreit zwischen Altinküpe und dem Lahn-Dill-Kreis. Während dieser andauerte, besaß der Metzger eine Ausnahmegenehmigung.
Tierschützer werfen ihm vor, dass er auch im Internet wirbt und zweifeln den religiösen Bezug seines Handelns an. Altinküpe verkaufe sein Fleisch auch an konfessionslose Menschen, kritisieren sie. Vertreter der Tierschutz-Organisationen "ProVieh" und "Vier Pfoten", verfolgten die Verhandlung und forderten ein Verbot des Schächtens.