Der zweite Teil des UN-Berichts, den Forscher am 6. April in Brüssel veröffentlichen werden, wird die Menschheit warnen: Wenn wir weiterhin soviele Treibhausgase produzieren, wird die Erde weiter aufgeheizt, was viel Geld und viele Menschenleben kosten wird - oder wie Manfred Stock, Leiter der Regionalforschung im Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK), es in Worte fasst:
"Unser bisheriger Umgang mit dem Problem ähnelt dem Verhalten eines leichtsinnigen Autofahrers. Er fährt viel schneller, als unzureichende Sicht und hohe Verkehrsdichte es erlauben, und riskiert damit einen heftigen Aufprall."
IPCC-Bericht in vier Etappen
Der UN-Klimabericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (kurz IPCC) wird von drei Arbeitsgruppen aus jeweils mehreren hundert anerkannten Forschern erstellt. Sie durchforsten die Klimastudien der letzten sechs Jahre und schlussfolgern aus den Einzelergebnissen globale Konsequenzen.
In Teil 1 des neuen Berichts wurden am 2. Februar bereits die aktuellsten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel und der zukünftigen Entwicklung zusammengefasst. Am 6. April erscheint nun Teil 2. Er wird in Brüssel vorgestellt und soll die Öffentlichkeit über Risiken und Anpassungsstrategien aufklären. Teil 3 folgt am 4. Mai in Bangkok. Darin werden die Forscher Möglichkeiten vorstellen, die Schäden der globalen Erwärmung abzuschwächen. Eine Synthese aller drei UN-Berichte wird ein vierter Teil zusammenfassen und am 17. November 2007 in Valencia vorgestellt.
Viele Menschen verbinden mit der Karibik Palmen und Traumstrände. Doch der steigende Meeresspiegel und immer mehr Hurrikane der stärksten Kategorie 5 stellen die Bevölkerung auf eine Probe, die beispielhaft für den Rest der Welt steht. Die Langzeitfolgen eines ungebremsten Treibhauseffektes wären laut PIK ein Meeresspiegelanstieg um 30 bis 50 Meter und eine massive Versauerung der Ozeane. Ihr ph-Wert würde von 8,2 auf 7,7 abfallen und die Ökosysteme im Meer drastisch beeinflussen.
Die Konsequenzen für Europa
Schon heute denken Obstbauern darüber nach, andere Apfelsorten anzubauen, um sich den veränderten Klimaverhältnissen anzupassen. Die norddeutsche Tourismusbranche stellt sich auf mehr Urlauber in der bald wärmeren Nebensaison ein, während sich Skipistenbetreiber nach neuen Jobs umsehen. Die Folgen der Erwärmung sind breit gefächert, überwiegend negativ und vielerorts schon heute wirksam.
Wie bereits der letzte Klimabericht von 2001 festhielt: "Der Klimawandel in Europa wird Verluste und Nutzen für unsere Lebensgrundlagen mit sich bringen; in manchen Bereichen haben die Veränderungen bereits begonnen."
Der UN-Bericht fasst die Folgen wie folgt zusammen:
>> Die Ausbreitung alter und neuer Krankheiten könnte sich auf die Gesundheit von Menschen und Tieren auswirken. Stadtbewohner werden besonders unter den häufigeren Hitzewellen leiden.
>> Ökosysteme verändern sich, der Artenreichtum nimmt ab. Vegetations- und Schneegrenzen verschieben sich im Gebirge in höhere Lagen. Permafrostböden tauen auf und Gletscher schmelzen zu Seen ab, die gefährliche Erdrutsche auslösen können.
>> Fischbestände gehen europaweit zurück, während Ernten in Land- und Forstwirtschaft in Nordeuropa besser ausfallen könnten. Dem gegenüber stehen fallende Ernteerträge in Südeuropa aufgrund heißerer und trockenerer Sommer. Im Zuge dessen treten Probleme bei der Wasserversorgung auf, da Gletscher und Grundwasser als Reservespeicher zunehmend wegfallen.
>> Sachschäden nehmen im Zuge erhöhter Überflutungs-, Sturm- und Waldbrandgefahr zu. Sturmfluten an den Küsten laufen höher auf, Flüsse treten wegen Starkregen häufiger über die Ufer.
>> Ein erhöhtes Risiko von Fluten und Erdrutschen führt zu verstärkter Erosion fruchtbarer Ackerböden. In Kombination mit steigendem Meeresspiegel, immer weiter abgetragenen Küsten und dem Verlust von Feuchtgebieten hat das erhebliche Auswirkungen auf Siedlung, Deichbau, Landwirtschaft und touristische Aktivitäten. Allein in Hamburg kosten 100 Kilometer Deicherhöhung auf 8,5 Meter 600 Millionen Euro.
>> Finanzschwache Staaten - insbesondere in Afrika, Asien und im Pazifikraum - werden sich nur schwer anpassen können. Die Veränderungen werden sie entsprechend härter treffen.
In fast allen Punkten stimmen die Vorabberichte zum 2007er UN-Bericht mit dem von 2001 überein. An vielen Stellen sind die Forscher sich ihrer Ergebnisse noch sicherer geworden und haben aus den Studien der letzten sechs Jahre detailliertere Erkenntnisse gewonnen.
CO2-Verdoppelung unausweichlich
Ein Unterschied zum Bericht von 2001 liegt in der Wahrnehmung durch Medien, Öffentlichkeit, Wirtschaft, NGOs und Politik. Sie überschlagen sich in Forderungen und Handlungsvorschlägen, um das so genannte Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Bei diesem Ziel gehen Forscher und Politiker davon aus, dass bei einem globalen Temperaturanstieg von zwei Grad gegenüber 1990, die Folgen noch zu bewältigen seien.
Viele Forscher haben sich jedoch darauf eingestellt, dass eine Verdopplung des Kohlendioxidgehalts der Luft (vorindustriell 0,028 Prozent) auf 0,056 Prozent inzwischen unausweichlich ist. Die Verdopplung würde eine Erwärmung um etwa drei Grad bedeuten. Das Zwei-Grad-Ziel könne laut PIK nur erreicht werden, wenn der CO2-Gehalt der Luft unter 0,04 Prozent bliebe. Doch schon heute sind wir von dieser Grenze nur noch 0,002 Prozent entfernt.
"Das Zwei-Grad-Ziel setzt voraus, dass wir gegen Ende des Jahrhunderts eine emissionsfreie Weltwirtschaft erreicht haben. Eine Herausforderung, die den Vergleich mit anderen Menschheitsaufgaben nicht zu scheuen braucht", meint Ottmar Edenhofer, Chefökonom des PIK.
Zwei Grad: was kostet uns das?
Lange waren sich die Wissenschaftler einig, dass es sehr teuer werden würde, das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Doch eine internationale Studie des PIK hat gezeigt, dass sie die Klimaschutzkosten überschätzt haben. Studienleiter Edenhofer erklärte, sie lägen unter einem Prozent des weltweiten Sozialproduktes, denn "die Kosten des Zwei-Grad-Zieles lassen sich durch technischen Fortschritt senken."
Entscheidend sei laut Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des PIK und seit drei Monaten Chef-Klimaberater von Angela Merkel, dass der zu erwartende technische Fortschritt durch Politik auf internationaler Ebene seine volle Dynamik entfalten kann. Weltweit müssten die Treibhausgasemissionen laut PIK im 21. Jahrhundert jährlich um etwa ein Prozent sinken. Sozialökonomische Analysen besagen, dass das globale Wirtschaftswachstum dadurch bis 2100 nur um drei Monate verzögert würde.
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid vom März 2007 wollen die Bundesbürger die Herausforderung annehmen. Persönlich wollen sich 92 Prozent um klimaschonendes Verhalten bemühen. 94 Prozent zählen den Klimaschutz in Europa zu den wichtigsten Aufgaben und 58 Prozent meinen, dass die Bundesregierung mehr gegen die Erderwärmung unternehmen müsse. Nur 29 Prozent gaben an, sie nähme den Klimaschutz ernst genug, zehn Prozent finden die Reaktionen der Regierung übertrieben.
"Wir brauchen eine dritte industrielle Revolution", sagt Hans Joachim Schellnhuber.