Senioren So lange genießen Reiche ihr Alter länger als arme Menschen

Reichtum verschafft nicht nur ein luxuriöses, sondern auch ein langes Leben
Reichtum verschafft nicht nur ein luxuriöses, sondern auch ein langes Leben
© Alessandro Biascioli / Getty Images
Reiche leben länger gesund als Arme. Wissenschaft zeigt: Wohlstand schützt vor Krankheit, Armut führt zu Verfall. Ungleichheit prägt die Lebensqualität im Alter.

Forscher haben das Geheimnis eines langen und gesunden Lebens gelüftet. Die Lösung klingt einfach: "Sei wohlhabend, und du lebst etwa zehn Jahre länger." Das klingt wie ein schlechter Witz, doch es ist seit Langem bekannt, dass Wohlstand und Lebensdauer korrelieren. Das Robert Koch-Institut sieht einen direkten Zusammenhang zwischen Krankheit und Einkommen. Eine RKI-Studie von 2021 bestätigt, dass Menschen mit niedrigem Einkommen bis zu sieben Jahre kürzer leben und häufiger chronische Krankheiten wie Herzkrankheiten oder Depressionen entwickeln. Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes oder chronische Lungenerkrankungen treffen Ärmere häufiger. Reiche können einen langen Lebensabend genießen, Arme werden hingegen früh hinfällig. Dies spiegelt eine tief verwurzelte soziale Ungleichheit wider, die nicht nur den Zugang zu medizinischer Versorgung, sondern auch zu Bildung und gesunden Lebensbedingungen betrifft.

Eine 2020 im "Journal of Gerontology" veröffentlichte Studie lieferte gesicherte Daten zu dieser Annahme. Der Befund der Studie erstaunt zunächst, da das Gesundheitssystem der USA weitgehend auf dem Einkommen der Patienten basiert, während Großbritannien ein öffentliches Gesundheitswesen hat, das allen Bürgern offensteht. Der Marmot Review (2020) zeigt jedoch, dass Briten in reichen Regionen bis zu 19 Jahre länger gesund leben, da bessere Wohnverhältnisse und weniger finanzieller Stress die Gesundheit fördern. Für die Studie wurden Daten von 10.754 bzw. 14.803 Erwachsenen ab 50 Jahren ausgewertet. Die Briten nahmen an der English Longitudinal Study of Ageing (ELSA) teil, die US-Bürger an der Health and Retirement Study (HRS). Die Daten wurden ab 2002 über zehn Jahre hinweg erhoben. Diese solide Datenbasis hebt die Studie hervor.

Beschwerdefreies Leben für Reiche

Die Forscher untersuchten dabei nicht die gesamte verbleibende Lebenserwartung, sondern die Zeit, die 50-Jährigen für ein beschwerdefreies Leben bleibt. Dieser Begriff, auch "gesunde Lebenserwartung" genannt, misst die Jahre, in denen Menschen ohne chronische Krankheiten oder körperliche Einschränkungen leben können. Sie analysierten also Jahrgänge, die vor 1952 geboren wurden.

Mehrere äußere Faktoren beeinflussen die beschwerdefreie Lebenserwartung, doch der dominante Faktor ist der Wohlstand. Dieser wurde anhand des Netto-Gesamtvermögens gemessen. In der Studie umfasste das reichste Drittel Haushalte mit einem Vermögen von über 500.000 US-Dollar, während das ärmste Drittel oft weniger als 50.000 US-Dollar besaß. Es wurden Vergleiche zwischen dem reichsten und dem am wenigsten wohlhabenden Drittel angestellt. Die Vergleichsgruppen sind mit jeweils einem Drittel groß gewählt, um keine extremen Gruppen wie sehr Reiche oder sehr Arme zu vergleichen.

Neun Jahre Differenz zwischen Arm und Reich

Die reichsten Männer ab 50 Jahren können mit etwa 31 "gesunden" Jahren rechnen. Statistisch gesehen können sie ihr Leben bis 81 unbeschwert genießen. Bei armen Männern sind es nur etwa 22 Jahre, was einem Alter von 72 entspricht. Bei Frauen zeigt sich ein ähnliches Muster, allerdings ist ihre "Gesundheitserwartung" für beide Gruppen etwas höher: 83 Jahre für die Reichen und 74 Jahre für die Armen. Erstaunlich ist, dass die "Gesundheitserwartung" von Frauen kaum höher ist als die der Männer. In den Jahrgängen vor 1952 war es üblich, dass Frauen weniger arbeiteten und seltener rauchten oder tranken. In Deutschland liegt die Gesamtlebenserwartung dieser Jahrgänge etwa vier bis fünf Jahre auseinander.

Da die Studie nur Personen ab 50 Jahren einbezog, bleiben frühere Todesfälle unberücksichtigt, und die Unterschiede zwischen den Gruppen werden dadurch nivelliert. Da das Risiko eines frühen Todes unter 50 bei Ärmeren höher ist, dürfte ihre Lebenserwartung noch stärker hinter der der Reichen zurückliegen.

Bündel an Ursachen

Die Unterschiede haben vielfältige Ursachen. Klassische Erklärungen sind schwere körperliche Arbeit und schlechtere medizinische Versorgung. Studien zeigen, dass jedes zusätzliche Schuljahr die Lebenserwartung um etwa 0,5 Jahre steigert, da Bildung zu gesünderem Verhalten und besserer Vorsorge führt. Es wird jedoch auch angenommen, dass Lebensstil und Gewohnheiten einen großen Einfluss haben – Arme und Reiche unterscheiden sich in Aspekten wie gesunder Ernährung, sportlicher Aktivität sowie Tabak- und Alkoholkonsum. Eine US-Studie von 2023 zeigt, dass ein gesunder Lebensstil die Lebenserwartung um bis zu 23,7 Jahre steigern kann, wobei Wohlstand den Zugang zu gesunder Ernährung und Sport erleichtert. 

Zudem spielen psychosoziale Faktoren wie Stress durch finanzielle Unsicherheit oder eingeschränkte soziale Teilhabe eine Rolle, die bei Ärmeren häufiger zu gesundheitlichen Problemen führen. Die WHO betont, dass soziale Ungerechtigkeit die Gesundheit massiv beeinträchtigt, da schlechte Wohnverhältnisse und mangelnde Bildung die Lebenserwartung senken. Forschung aus Halle (2021) zeigt, dass niedriger sozialer Status durch mangelnden Zugang zu Bildung und Gesundheitsangeboten die Lebenserwartung verkürzt. 

Überträgt man die Ergebnisse auf das deutsche Rentensystem, wird die politische Brisanz deutlich. Bei einem Renteneintrittsalter von 65 Jahren blieben einem vermögenslosen Mann im Durchschnitt nur sieben Jahre beschwerdefreier Ruhestand, während ein Reicher mit 16 Jahren rechnen kann – mehr als das Doppelte. Dies wirft Fragen zur Gerechtigkeit des Systems auf, da einkommensschwache Gruppen durch die späte Rente systematisch benachteiligt werden, während Reiche länger profitieren. Ähnliche Muster zeigen sich weltweit, etwa in Ländern wie Australien oder Kanada.

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