Über 50.000 Tote sollen die Felder um die Orte Waterloo und La Belle Alliance bei Brüssel bedeckt haben, als die letzte Schlacht Napoleons zu Ende war. Zeitzeugen, Schriftsteller und Maler beschworen das Grauen des nächsten Tages, als die Toten und die Sterbenden langsam von Bodennebel freigelegt wurde. Und doch ist der Fund eines Skeletts eine Sensation, es ist erst das zweite, das Archäologen in all den Jahren gefunden haben. Dafür gibt es einen makabren Grund. All die, die für den Ruhm und die Ehre des Vaterlandes gefallen waren, wurden in den Jahren nach der Schlacht zu Dünger verarbeitet. Von ihnen blieb nichts. Zuvor wurden den Toten die Zähne herausgebrochen, sie wurden nach England exportiert und dort als makabres Souvenir – als Heldengebiss – verscherbelt.
Fotostrecke Schlacht von Waterloo

Lazarett im Zentrum der Schlacht von Waterloo
Das zweite vollständige Skelett aus der Schlacht von Waterloo wurde nun unweit des Gehöfts Mont Saint-Jean gefunden. Mont Saint-Jean liegt auf der gleichen Straße wie La Belle Alliance und La Haye Sante – im Zentrum der Schlacht, aber hinter Wellingtons Linie. Dort wurde ein Feldlazarett eingerichtet. "Für uns ist dies eine unglaublich wichtige Entdeckung, da bisher nur ein einziges Skelett ausgegraben wurde", sagte Prof. Tony Pollard, der archäologische Leiter des Projekts.
Er geht davon aus, dass etwa 6000 Verletzte in dem Feldlazarett behandelt wurden. Die Nationalität des Toten ist noch nicht geklärt. In dem Lazarett wurden Briten, Belgier und Franzosen behandelt. An dem Ort wurden 2019 bereits amputierte Gliedmaßen gefunden. Neben dem Toten wurden nun auch die Überreste von drei Pferden gefunden.
Anders als vermutet glaubt Pollard nicht, dass die Reste einfach wahllos in einen Graben geschüttet wurden. Die sorgsam ausgeführte Ausgrabung deutet darauf hin, dass es sich um ein echtes Grab gehandelt hatte und der Tote nicht einfach verscharrt wurde. Die Pferde waren offenbar verletzt und wurden, als ihnen nicht geholfen werden konnte, dort getötet. Veronique Moulaert, eine belgische Archäologin, sagte: "Dieses vollständige Skelett verändert die Art und Weise, wie wir diese Funde sehen, denn vorher galt es als Müll aus dem Krankenhaus. Jetzt können wir sehen, dass sie damals eine große Grube ausgehoben haben. Sie haben viel Arbeit darauf verwendet - die Pferde sind auf der einen Seite, die Gliedmaßen in der Mitte und auf der anderen Seite das gesamte Skelett." Die Felder, auf denen die Schlacht tobte, wurde immer landwirtschaftlich genutzt. Die damit verbundenen Bewegungen des Bodens führten dazu, dass heute nur wenige "ungestörte" Funde möglich sind.
Eingreifen der Preussen
Entlang der Straße knapp vor dem Gehöft tobten die schwersten Kämpfe der Schlacht. Napoleon warf alles, was er hatte, hier gegen Wellingtons Linie. Die Neue Garde und am Ende dann auch die Veteranen der Alten Garde. Unter dem Ansturm der Garde drohte am Nachmittag die Position der Alliierten zu brechen. Wellington soll ausgerufen haben. "Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen!" Zu seinem Glück erschienen die Preußen an der entgegengesetzten Seite des Schlachtfeldes. Ihr ungestümer Angriff in der Flanke entschied die Schlacht. Wellington urteilte später knapp, Waterloo sei eine knappe Sache gewesen.
Die Ära Napoleons endete wegen der Nachlässigkeit seines Marschalls Emmanuel de Grouchy. Der sollte die Preußen unter Blücher verfolgen und eine Vereinigung mit Wellington verhindern. Grouchy hörte zwar den Donner der Schlacht, trottete der preußischen Armee aber hinterher, anstatt sich mit seinen 50.000 Soldaten zwischen sie und Napoleon zu schieben. Ins Bild passte, dass Grouchy, als er die fatale Entscheidung fällte, eine Schale mit Erdbeeren mit Sahne und Champagner verzehrte.