"Im Herzen krank" Suche nach Kur für den britischen Bankensektor

Gerade war die Wut gegen die Banker in der Londoner City etwas abgeklungen. Jetzt schürt der Skandal um manipulierte Zinssätze wieder das Feuer. Die Briten suchen erneut nach einer Lösung, wie die Branche gesäubert werden kann - bislang zeigt sich einfach keine.

Kleine Pflaster helfen nicht mehr - es muss endlich operiert werden. Dass ihr Bankensektor "im Herzen krank" ist, wie es gleich mehrere Kommentatoren am Montag ausdrückten, wissen die Briten schon lange. Die Suche nach einer grundlegenden Heilung war bislang erfolglos. Der neue Skandal um manipulierte Zinssätze bei Barclays und vermutlich auch anderen Großbanken zeigt aber erneut, dass eine Lösung dringend geboten ist. Wie kann man mauschelnde und rücksichtslose Banker in der Londoner City zur Räson rufen, die ganze Kultur einer Branche ändern? Die Versuche am Montag sahen eher wieder nach Flickwerk aus.

Da sind zum einen die Banken: Statt wie vielfach gefordert, seinen Chef Bob Diamond zu feuern, schickte Barclays Aufsichtsratschef Marcus Agius vor. Beobachter hatten ohnehin vermutet, dass der fast 67-Jährige nach sechs Jahren bei der Bank bald abtreten würde. Barclays kündigte außerdem eine umfassende Untersuchung der internen Praktiken an, einen öffentlichen Bericht darüber und schließlich einen neuen Verhaltenskodex. Agius gab bei seinem Rücktritt zu, dass der Ruf der Bank schwer getroffen sei, und man alles tun wolle, um ihn wieder herzustellen.

Skandal um Liborzinssatz könnte sich mächtig ausweiten

Die britische Regierung reagierte erstmal mit der Ankündigung einer vergleichsweise kleinen Untersuchung. Diamond und Agius sollen noch in dieser Woche vor einem Ausschuss des Parlamentes aussagen. Dieser will sich über mögliche Einflussmöglichkeiten auf den Interbanken-Verkehr und strafrechtliche Folgen für die Verantwortlichen hinter dem Skandal beraten.

Barclays hatte zwischen etwa 2005 und 2009 versucht, den sogenannten Liborzinssatz, zu dem sich Banken gegenseitig Geld leihen, zu manipulieren. Dafür muss das Institut eine Rekordstrafe von umgerechnet rund 345 Millionen Euro an die Finanzaufsichten in den USA und Großbritannien sowie an das US-Justizministerium zahlen. Die zuständige britische Ermittlungsbehörde Serious Fraud Office prüft, ob der Fall strafrechtliche Folgen haben könnte. Der Skandal könnte sich mächtig ausweiten, denn im Verdacht stehen zahlreiche Banken in Europa und den USA.

Bei der ebenfalls im Verdacht stehenden Royal Bank of Scotland (RBS) waren nach Medienberichten bereits Köpfe gerollt, allerdings in sicherer Entfernung der Führungsspitze. Vier Händler sollen bereits 2011 entlassen worden sein. Die Bank bestätigte die Berichte nicht.

Handeln, damit sich die Kultur ändert

Die britische Regierung könnte nun eine umfassende Untersuchung der ganzen Branche auf den Weg bringen - ähnlich der, die nach dem Medienskandal um unseriöse Praktiken bei britischen Zeitungen die gesamte Presselandschaft unter die Lupe nimmt. Wie viel das bringen könnte, ist aber umstritten. Vize-Premier und Liberaldemokraten-Chef Nick Clegg erinnerte am Montag daran, dass es schon eine ganze Menge Untersuchungen gegeben habe. Zuletzt etwa hatte Ende 2011 die sogenannte Vickers-Expertenkommission Empfehlungen vorgestellt, die teils in einer Bankenreform umgesetzt werden sollen. Dabei geht es auch um die Trennung von Investmentbanking und Privatkundengeschäft.

Statt Untersuchungen und Empfehlungen wären wohl Handlungen angebracht - und so gab der offizielle Sprecher Camerons am Montag denn auch zu: "Wir wissen, was zu tun ist, und wir müssen jetzt weitermachen und handeln, damit sich die Kultur ändert." Doch Camerons Handlungsspielraum ist begrenzt. Die britische Wirtschaft, derzeit in der Rezession, ist vom Finanzsektor extrem abhängig. Experten mahnen allerdings, dass er nun endlich die Situation beim Schopfe packen müsse. "Priorität muss jetzt haben, diese Chance, die Banken auf ihren Platz zu verweisen, nicht zu verpassen", schrieb etwa Bankenfachmann Larry Elliott im "Guardian".

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Britta Gürke, DPA