Hanna Barag erinnert sich noch sehr gut an den Tag, an dem ein israelischer Soldat sie als palästinensische Hure beschimpft hat. Damals war die Israeli bereits 67 Jahre alt und hatte gerade begonnen, sich bei "Machsomwatch" zu engagieren, einer Gruppe von Frauen, die sich an den Straßenkontrollen der israelischen Armee für einen fairen Umgang mit den Palästinensern einsetzt.
"Es war an der Kontrolle bei Kalandia, zwischen Jerusalem und Ramallah", erzählt Hanna Barag. "Erst war ich sprachlos, aber dann habe ich ihn gefragt: Würdest Du das auch Deine Großmutter fragen?" Der Soldat wandte sich voller Zorn ab - eine Woche später aber entschuldigte er sich bei ihr.
500 Frauen machen mit
"Machsomwatch" wurde vor sechs Jahren von drei israelischen Frauen gegründet, als sich Berichte über Willkür und Misshandlungen an den israelischen Posten häuften. "Machsom" ist das hebräische Wort für die Kontrollen, die die Armee im gesamten Westjordanland errichtet hat. Heute beteiligen sich rund 500 Frauen und besuchen täglich mehr als 40 Straßensperren.
Zum Beispiel den Kontrollpunkt südlich von Nablus: Die Warteschlange der Palästinenser ist lang, und Spannungen liegen in der Luft, als sich die heute 71-jährige Barag an einen Offizier wendet. Wie ein Turm überragt der durchtrainierte Soldat die zarte Frau und ihren 1,65 Meter kleinen Körper. Barag trägt ihre Beschwerde lächelnd vor - und wird gehört.
Studenten verpassen ihr Examen
Die Liste der Klagen ist lang: Mütter müssen selbst mit totgeborenen Kindern stundenlang anstehen, kranke Patienten dürfen nicht ins nächste Krankenhaus weiterfahren, Gemüse verdirbt auf dem Weg zum Markt, Studenten verpassen ihr Abschlussexamen und Bräute ihre Hochzeit.
Die meisten Kontrollpunkte befinden sich nicht an Übergängen vom Westjordanland nach Israel, sondern trennen palästinensische Dörfer und Städte voneinander. UN-Zahlen zufolge gibt es derzeit 528 davon, 40 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Das weckt auch bei den "Machsomwatch"-Frauen Zweifel an der offiziellen Begründung, damit sollten vor allem Attentäter aufgehalten und Israels Sicherheit gewährleistet werden.
Kontrollen sind ein Albtraum
"Das Ziel ist, den Palästinensern das Leben so unangenehm wie möglich zu machen - damit sie resignieren und ihr Land verlassen, wohin auch immer." Dies sagt Nomi Lalo, die wie Barag schon seit Jahren bei "Machsomwatch" mitmacht. Die Palästinenser beschreiben die ständigen Kontrollen als einen Albtraum: "Man weiß nie, wie lange es dauern wird, bis man durch darf", sagt die Lehrerin Sirin Drubi, die auf ihrem Weg zur Schule in Tulkarm mehrere Posten passieren muss. "Man kann keine Pläne machen. Wir leben wie in einem Käfig."
Um Menschen wie Sirin Drubi zu helfen, nehmen die israelischen Frauen viel in Kauf. Eine rechtslastige Gruppe listet sie im Internet auf als "Juden voller Selbsthass, die eine Gefahr für Israel bedeuten". Auch ihre Familien stehen ihnen oft verständnislos gegenüber: "Meine vier Söhne haben alle gedient und halten mich für verrückt", sagt Barag. Lalos älterer Sohn ist gleichfalls gegen das Engagement. "Ich bin aber überzeugt, dass es wichtig ist. Wir bewirken etwas", hält die Mutter dagegen.
Armee liest Monatsbericht
Wie viel die Frauen verändern, lässt sich nicht in Statistiken erfassen. Aber ihr Monatsbericht im Internet (www.machsomwatch.org) wird von der israelischen Armee gelesen, von Menschenrechtsgruppen und mindestens einem Mitglied aus der Familie von Ministerpräsident Ehud Olmert - Tochter Dana hat sich unter die couragierten Frauen eingereiht.