Nun geht es los mit der Invasion von Gaza-Stadt. Die israelische Regierung will den Gaza-Streifen komplett erobern; sie will diesen mörderischen Krieg noch eine Stufe eskalieren. Es wird noch mehr Tote geben, Frauen, Alte, Kinder.
Das Büro von Benjamin Netanjahu hat dem Armeechef diese Entscheidung am Montagabend verbunden mit einer Drohung mitgeteilt: Entweder er setze sie um, oder er solle zurücktreten. So berichten es israelische Medien.
Selbst das Militär will ein Ende des Gaza-Krieges
Das allein veranschaulicht, was für eine brutale, militärisch widersinnige Entscheidung seine Regierung getroffen hat: Offenbar rechnet Regierungschef Netanjahu dafür nicht mehr nur in der eigenen Bevölkerung mit massivem Widerstand, sondern auch in der Militärführung.
Schon vor der Entscheidung für die Invasion hatten ehemalige Militär- und Geheimdienstchefs des Landes in einem historischen Statement auf ein Ende des Krieges gedrängt. Alle militärisch erreichbaren Ziele seien erreicht.
Ex-Regierungschef Ehud Olmert wirft seinem eigenen Land seit Wochen schwere Kriegsverbrechen vor. Eine überwältigende Mehrheit der israelischen Bevölkerung fordert ein Ende des Krieges. Genauso tun es viele Angehörige der von der Hamas entführten Geiseln.
Doch Netanjahu hört weder auf sein Volk noch auf die Experten. Und nein, auch nicht auf die Geisel-Angehörigen. Stattdessen machen sich Mitglieder von Regierungsparteien öffentlich über sie lustig. Der Regierungschef lässt sich von eben solchen Extremisten in seiner Regierung treiben und versucht vor allem, sein eigenes politisches Schicksal zu wenden.
Der Krieg in Gaza müsste seit Monaten beendet sein. Deutschland hat zu lange daran geglaubt, dass man Einfluss nehmen kann auf die israelische Regierung. Auch weil diese den Deutschen das Gefühl gab, ihre Interventionen würden etwas bringen, das Leid zumindest abmildern. Doch auch das änderte sich zuletzt. Sodass in deutschen Diplomatenkreisen zunehmend der Eindruck einer Hinhaltetaktik blieb.
Die Deutschen werden hingehalten
Erst vor vier Tagen ist Außenminister Johann Wadephul aus Israel zurückgekehrt. Empfangen wurde er dort von einem extremistischen Kabinettsmitglied als "Nazi-Unterstützer", gemeint war damit die Hamas. Sein Außenministerkollege belehrte ihn nach dem gemeinsamen Gespräch öffentlich über die angeblich historischen Ansprüche Israels auf das Westjordanland. Beides zeigt, wie wenig ernst die aktuelle Regierung die Deutschen noch nimmt.

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Wadephul forderte in Israel – wie zuvor Kanzler Friedrich Merz – einen Waffenstillstand und einen fundamentalen Kurswechsel. Er warnte vor einem Massensterben durch den Hunger in Gaza. Israel sagte mehr Hilfe zu. Doch die Entscheidung für die Komplettinvasion bestätigt nun das Gegenteil aller Versprechen der israelischen Seite.
Deshalb muss die deutsche Regierung jetzt zusammen mit den europäischen Partnern handeln: Das Assoziierungsabkommen mit der EU sollte ausgesetzt werden, zumindest teilweise. Sanktionen sollte es gegen die extremistischen Kabinettsmitglieder geben, die Siedlergewalt im Westjordanland unterstützen. Außerdem sollten die Rüstungsexporte öffentlichkeitswirksam gestoppt werden.
Es ist jetzt an der Zeit für harte Sanktionen
Es braucht jetzt einen kühlen Kopf, um diesen Krieg zu beenden: Ein generelles Boykott israelischer Produkte, das Israel als Land dämonisiert, gehört daher wie auch die sofortige Anerkennung Palästinas als Staat zu den wenig sinnvollen Forderungen. Nicht, weil das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung falsch wäre, sondern um Israel einen Ausweg aus diesem Krieg zu bieten. Eine Anerkennung Palästinas zum jetzigen Zeitpunkt würde selbst liberalere Kräfte im Land eher an die derzeitige Regierung binden. Es kann einen Frieden unwahrscheinlicher machen, das Sterben in Gaza und im Westjordanland verlängern.
Ja, es stimmt. Diese erneute Eskalation wurde offenbar gezielt ausgelöst durch ein von Hamas-Verbündeten veröffentlichtes Video einer israelischen Geisel. Das Video erinnert uns an den Ausgangspunkt des Krieges: das bestialische Massaker vom 7. Oktober, bei dem mehr als 1200 Israelis, mehrheitlich Juden, starben.
Netanjahu tappt nun aber erneut in die Falle der Terroristen: Sie nähren sich an einer Fortführung des Krieges, während sie in den Tunneln unter Gaza auf dessen Ende warten. Und: Auch die letzten Geiseln werden nur frei kommen, wenn es Frieden gibt.
Es sind zwei weitere Gründe, warum Deutschland helfen muss, den Krieg durch Druck zu beenden.
Die Hamas wird durch das Vorgehen in Gaza längst nicht mehr geschwächt. Ideologisch gewinnt die islamistische Terrorgruppe inzwischen mit jeder Bombe auf ein Wohnhaus an Sympathie in der Welt und höchstwahrscheinlich auch an Menschen, die für sie in Zukunft zu sterben bereit wären. Das liegt nicht in erster Linie an der Propaganda der Hamas, wie es die israelische Regierung behauptet, sondern an der tödlichen Wirklichkeit in Gaza. Sie ist vielfach bewiesen.
Mit Worten lässt sich nichts mehr ausrichten
Die deutsche Staatsräson gilt dem Schutz des Landes Israel. Sie gilt aber nicht dem bedingungslosen Schutz einer Regierung, die gegen den Rat führender Militärs und den Willen der Bevölkerung einen unsinnigen, mörderischen Krieg fortführt.
Mit Worten lässt sich dieser Krieg nicht beenden, nicht mal mehr mildern. Jetzt müssen Taten folgen. Gerade von den letzten Freunden des Staates Israel.