Afghanistan "Tod Karsai! Tod Amerika!"

Die Lage in Afghanistan ist nach wie vor explosiv: Ein von US-Truppen verursachter Verkehrsunfall hat in Kabul die schwersten Unruhen seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 ausgelöst. Mindestens acht Menschen seien getötet und 107 verletzt worden.

Bei den Protesten wurden Geschäfte geplündert und Polizeiautos in Brand gesteckt. Hunderte aufgebrachte Afghanen zogen zum Palast von Präsident Hamid Karsai und skandierten: "Tod Karsai! Tod Amerika!". Dieser verurteilte die Proteste und nannte die Demonstranten Agitatoren. Karsai rief die Menschen in einer Fernsehansprache auf, sich gegen die Plünderer zu stellen.

Antiamerikanische Stimmung

"Wir erkennen in den Menschen, die dies tun, die Feinde Afghanistans", sagte Karsai mit Bezug auf die radikalislamischen Taliban, die ihren Einfluss in jüngster Zeit wieder ausweiten konnten. "Steht auf gegen diese Agitatoren und lasst nicht zu, dass unser Land wieder zerstören." Hunderte afghanische und Nato-Soldaten bezogen in der Hauptstadt mit Panzern Stellung. Am Abend verhängte die Regierung ein Ausgehverbot für die Hauptstadt.

Die Randalierer plünderten auch ein Gebäude der Hilfsorganisation Care. Aus Richtung der amerikanischen Botschaft waren Schüsse zu hören, das Personal wurde an einem sicheren Platz innerhalb des stark gesicherten Gebäudes zusammengezogen, wie ein Sprecher mitteilte. Zu der antiamerikanischen Stimmung dürfte auch der Luftangriff auf das Dorf Asisi im Süden Afghanistans beigetragen haben, bei dem vor gut einer Woche mindestens 16 Zivilpersonen getötet wurden. Auslöser der Ausschreitungen war ein tödlicher Verkehrsunfall, über dessen Hergang es unterschiedliche Darstellungen gab.

Demonstrant versehentlich getötet

Ein Sprecher der US-geführten Streitkräfte erklärte, ein großer Lastwagen habe wegen technischer Probleme an einer belebten Kreuzung zwölf Fahrzeuge gerammt. Mindestens ein Mensch sei ums Leben gekommen und sechs seien verletzt worden. Nach Berichten von Augenzeugen fuhren drei US-Geländewagen in einen Stau. Ein Polizeisprecher sagte, mindestens drei Menschen seien getötet und 16 verletzt worden. "Der amerikanische Konvoi hat alle Fahrzeuge in seinem Weg gerammt. Sie kümmerten sich überhaupt nicht um die Zivilisten", sagte der Ladenbesitzer Mohammad Wali. Amerikanische und afghanische Truppen schossen nach Polizeiangaben im Anschluss auf Demonstranten, die "Nieder mit Amerika" skandierten und Steine warfen. Ein Demonstrant sei von US-Soldaten erschossen worden, erklärten zwei Polizeisprecher.

Der Sprecher der internationalen Truppe, Oberst Thomas Collins, sagte, die Besatzung eines Militärfahrzeugs habe über die Menge in die Luft geschossen. "Dies war ein tragischer Zwischenfall", sagte er und sagte den afghanischen Behörden volle Unterstützung bei der Untersuchung zu. Man bedauere zutiefst, dass Menschen zu Schaden gekommen seien. Es gab bereits häufig Beschwerden über US-Militärkonvois, die mit hohem Tempo durch belebte Stadtviertel fahren. Die Streitkräfte begründeten dies mit Risiko von Anschlägen.

Mehr als 50 Taliban getötet

Zunächst war unklar, ob zu den acht offiziell bestätigten Toten auch die Opfer des Unfalls gezählt wurden. Ausländer wurden laut Regierung weder getötet noch verletzt. Bilder der Fernsehnachrichtenagentur APTN zeigten hunderte junger Männer, die Steine in Richtung von US-Militärfahrzeugen schleuderten, ein auf einem Geländewagen montiertes Maschinengewehr feuerte in die Luft. Ein AP-Reporter sah, wie mehrere Demonstranten einen Mann, offenbar einen westlichen Ausländer, aus einem Wagen zogen und ihn schlugen. Ihr Opfer konnte sich bei Polizisten in Sicherheit bringen, die in die Luft schossen. Ein AP-Reporter und ein APTN-Kameramann wurden geschlagen, blieben aber unverletzt.

Bei einem Luftangriff auf ein Versteck mutmaßlicher Taliban-Kämpfer im Süden des Landes wurden am Montag mehr als 50 Aufständische getötet, wie der Vizegouverneur von Helmand, Amir Mohammed Akhunzada, mitteilte. Ein US-Militärsprecher bestätigte, es seien zwei 500-Pfund-Bomben auf ein Taliban-Versteck abgeworfen worden und es habe viele Tote gegeben.

AP
Rahim Faiez/AP