Afghanistan Bundeswehr gerät in Erklärungsnot

Auch drei Tage nach dem Tod dreier Zivilisten an einer Straßensperre der Bundeswehr in Nordafghanistan sind die Umstände des Vorfalls unklar. Nur die deutschen Soldaten sollen geschossen haben.

Nach Informationen, die die FTD aus sicherer Quelle erreichten, haben ausschließlich die deutschen Soldaten auf das betroffene Fahrzeug geschossen - und das, obwohl es klare Regeln gibt, nach denen nur die afghanischen Polizeiposten Fahrzeuge kontrollieren und eventuell das Feuer eröffnen dürfen.

Die Einsatzregeln der Bundeswehr verbieten den Soldaten selbst in Notsituationen, nach dem Abbruch eines Angriffs auf Flüchtende zu schießen. Außerdem sollen flüchtende Fahrzeuge mit Schüssen auf die Reifen oder in den Kofferraum gestoppt werden, weil sie keine unmittelbare Bedrohung mehr darstellen. Die Schüsse an der Straßensperre am Donnerstagabend gingen nach FTD-Informationen jedoch durch die Fenster des Autos. Getötet wurden eine Frau und zwei Kinder.

Ein Sprecher des Einsatzführungskommandos wollte dazu keine Stellung nehmen und verwies auf die laufenden Untersuchungen. "Es gibt zurzeit keinen Grund, den deutschen Soldaten einen Vorwurf zu machen", hieß es in einem Bericht, der aber seit Freitagabend nicht aktualisiert wurde.

Damit bekommt die Debatte um die aktuelle Afghanistan-Strategie neue Nahrung, denn erst am Mittwoch war in der Nähe des Bundeswehrlagers in Kundus ein deutscher Fallschirmjäger getötet worden, nachdem ein Patrouillenfahrzeug eine Sprengfalle ausgelöst hatte. Mitte Oktober soll die Obergrenze nach dem Willen der Bundesregierung um 1000 auf 4500 Soldaten aufgestockt werden - auch, um einen besseren Schutz der Soldaten gewährleisten zu können.

Die an dem Vorfall beteiligten Feldjäger gehören nach Ministeriumsangaben zum Ausbildungskommando in Masar-i-Scharif, das Afghanen für den Polizeidienst schult. "Das erste Mal sind deutsche Soldaten in Afghanistan in eine Täterrolle geraten", bewertete der SPD-Verteidigungspolitiker Walter Kolbow den Vorfall. Der SPD-Außenpolitiker Gert Weisskirchen regte eine Prüfung des Vorfalls sowie gegebenenfalls des Bundestagsmandats für Afghanistan an. Weiter sagte er: "Wenn Soldaten aggressiv die Grenzen dieses Mandats überschritten haben, dann muss das Folgen haben."

Andere Politiker sehen die Bundeswehr in dem zentralasiatischen Land nun in erhöhter Gefahr, vermehrt Ziel von Anschlägen zu werden. Die Opposition forderte zudem eine neue Strategie: So möchten FDP und die Grünen stärker auf die Polizeiausbildung setzen. Auch der Bundeswehrverband forderte, die Ausbildung der afghanischen Polizei zu verstärken. Statt 200 müsse es 2000 Ausbilder geben, verlangte der Vorsitzende Bernhard Gertz in der "B.Z. am Sonntag". Die Polizeigewerkschaft nannte dies eine Illusion. Die Linke verlangte erneut einen sofortigen Rückzug der Bundeswehr.

In Nordafghanistan ist am Sonntag abermals ein Anschlag auf Bundeswehrsoldaten verübt worden. Es sei aber niemand verletzt worden, sagte ein Sprecher. Der Sprengsatz sei gegen 10.30 Uhr Ortszeit 45 Kilometer westlich von Kundus neben einer Patrouille explodiert. An den Fahrzeugen der Soldaten hätten Splitter leichten Sachschaden verursacht. Die Wagen seien aber weiter einsatzbereit gewesen.

FTD