Fragen und Antworten Habemus Wehrdienst! Wie das Ganze ablaufen soll

Wie bei diesen Rekruten will die Bundesregierung beim Wehrdienst auch weiterhin auf Freiwilligkeit setzen
Wie bei diesen Rekruten will die Bundesregierung beim Wehrdienst auch weiterhin auf Freiwilligkeit setzen – und auf eine "Bedarfswehrpflicht“
© Federico Gambarini / DPA
Lange hat's gedauert mit dem neuen Wehrdienst für die Bundeswehr. Worauf sich die schwarz-rote Koalition geeinigt hat und wie das Modell im Detail aussieht.

Nach langem Ringen haben sich die Koalitionsfraktionen auf neue Einzelheiten für das Wehrdienstgesetz geeinigt. Endgültig beschlossen werden soll es im Bundestag dann im Dezember. Die Kernfrage, welche Zwangsauswahl bei einem Mangel an freiwilligen Wehrdienstleistenden getroffen wird, soll im Detail erst später geregelt werden.

Die Einzelheiten im Überblick:

Wer wird für den neuen Wehrdienst erfasst und gemustert?

Mit dem Gesetz wird die Wehrerfassung wieder eingeführt. Alle 18-jährigen Männer und Frauen erhalten künftig einen Fragebogen, um ihre Motivation und Eignung für den Dienst in den Streitkräften zu ermitteln. Für Männer ist die Beantwortung des Fragebogens verpflichtend. Ebenso wird für alle Männer, die ab dem 1. Januar 2008 geboren wurden, die Musterung wieder zur Pflicht. Auf Basis der Fragebögen und der Musterungsergebnisse kann die Bundeswehr im Verteidigungsfall auf einen Pool potenzieller Rekruten zurückgreifen.

Wie soll die Musterung funktionieren?

Die Militärverwaltung hat gut 18 Monate Zeit, um wieder eine Musterungsorganisation aufzubauen, die bis zu 300.000 Menschen im Jahr auf Eignung checken kann. Man wolle sich an Skandinavien orientieren, sagte Generalleutnant Robert Sieger vom Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr.  Er habe dort gesehen, dass die Durchführung der Musterung "insbesondere auch in Schweden hell, freundlich und positiv ist". Sieger sagte: "Und genau da wollen wir auch hin." Die Musterung solle nicht in Kasernen stattfinden, sondern es solle mit einer "Anmietlösung" gearbeitet werden.

Ist das Losverfahren vom Tisch?

Schon jetzt soll für den Fall vorgesorgt werden, dass sich nicht genug junge Männer und Frauen freiwillig zum Dienst melden. Unter Abwägung der sicherheitspolitischen Lage soll der Bundestag dann entscheiden, ob eine sogenannte Bedarfswehrpflicht eingeführt wird. Das Parlament übt dann aber nur ein Recht aus, das ihm ohnehin zusteht, denn eine Mehrheit der Abgeordneten könnte die Wehrpflicht wieder einführen und auch mit der Feststellung des Spannungs- oder Verteidigungsfalls einen solchen Automatismus auslösen. 

Bei der Bedarfswehrpflicht kann dann ein Zufallsverfahren zur Auswahl eingesetzt werden. Das umstrittene und von der Union vorgeschlagene Losverfahren noch vor einer Musterung ist damit aber vom Tisch.

Was haben junge Leute vom Wehrdienst?

Junge Menschen, die sich freiwillig für den Wehrdienst entscheiden, sollen ein attraktives Angebot erhalten. Dazu gehören eine moderne Ausbildung und eine monatliche Vergütung von rund 2.600 Euro brutto. Bei einer Verpflichtung für mindestens ein Jahr wird zudem ein Zuschuss für den Pkw- oder Lkw-Führerschein gewährt. 

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Mit diesem Paket will die Regierung junge Menschen für eine verantwortungsvolle Aufgabe gewinnen, anstatt sie zu verpflichten. "Der freiwillige Wehrdienst als besonderes staatsbürgerliches Engagement bleibt erhalten. Ab zwölf Monaten Verpflichtungsdauer wird der Status Soldat auf Zeit (SAZ 1) eingeführt", sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD).

Kommt die Wehrpflicht zurück?

Sollte die Zahl der Freiwilligen nicht ausreichen, um den Personalbedarf der Bundeswehr zu decken, kann eine Bedarfswehrpflicht greifen. Diese wird jedoch nicht automatisch aktiviert. Sie bedarf eines gesonderten Gesetzesbeschlusses des Bundestages. Ein solcher Beschluss kann gefasst werden, wenn die verteidigungspolitische Lage oder die Personalsituation der Truppe dies erfordern. Übersteigt die Zahl der potenziell Wehrpflichtigen eines Jahrgangs den Bedarf, kann nach Abzug von Ausnahmeregelungen ein Zufallsverfahren zur Auswahl der Rekruten angewendet werden.

Was ist mit dem Zivildienst?

Parallel zur Stärkung der Bundeswehr sollen auch die zivilen Freiwilligendienste ausgebaut werden. Dafür werden im kommenden Jahr 50 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt, ab 2027 dann 80 Millionen Euro jährlich. Damit sollen über 15.000 neue Plätze geschaffen werden, etwa in Kitas, Schulen, Pflegeeinrichtungen sowie im Klima- und Katastrophenschutz. Ziel ist es, dass sich jährlich mehr als 100.000 junge Menschen in einem Freiwilligendienst engagieren. Die zusätzlichen Mittel sollen es den Trägern zudem ermöglichen, die Vergütung für die Freiwilligen zu erhöhen. Jeder wird auch in Zukunft das durch das Grundgesetz garantierte Recht haben, den Kriegsdienst an der Waffe aus Gewissensgründen zu verweigern

Wird das Ganze funktionieren?

Pistorius und andere führende SPD-Politiker betonen dies. Andere Stimmen – darunter auch der Militärhistoriker Sönke Neitzel – zweifeln daran und sprechen von einem "Prinzip Hoffnung". Den Abgeordneten hielt er vor, sie führten eine Debatte losgelöst von der Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung, die für eine Wehrpflicht sei. "Also historisch betrachtet ist die Wehrpflicht im Frieden nie gerecht gewesen", sagte er. Und: "Sie war immer gerecht im Krieg, weil dann alle Männer, die irgendwie laufen konnten, in der Armee dienen mussten. Aber im Frieden gab es dieses Problem immer, das ist uralt."

Reuters · DPA
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