Der inhaftierte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist in einem neuen Strafverfahren der Veruntreuung schuldig gesprochen worden. Er wurde nun zu weiteren neun Jahren Straflager mit besonders harten Haftbedingungen verurteilt. "Nawalny hat Betrug begangen – den Diebstahl von fremdem Eigentum durch eine organisierte Gruppe", sagte Richterin Margarita Kotowa am Dienstag bei dem Prozess in einer Strafkolonie östlich von Moskaus, wie eine AFP-Reporterin berichtete.
Zudem soll der Oppositionelle, der als bekanntester Gegner von Präsident Wladimir Putin in Russland gilt, 1,2 Millionen Rubel Strafe (umgerechnet 8200 Euro) zahlen, wie die Agentur Interfax am Dienstag meldete. Die Staatsanwaltschaft hatte wegen Veruntreuung und Missachtung von Gerichtsauflagen in der vergangenen Woche 13 Jahre Haft für den Oppositionellen gefordert. Seine Anwälte forderten eine Freilassung.
Nawalny sitzt in der 100 Kilometer östlich von Moskau gelegenen Strafkolonie eine zweieinhalbjährige Haftstrafe wegen Betrugs ab, zu der er vor gut einem Jahr in einem anderen Prozess verurteilt worden war.
Nawalnys Anwälte sprechen von "politischer Verfolgung"
In dem neuen Verfahren wird Nawalny vorgeworfen, an seine politischen Organisationen gezahlte Spendengelder für persönliche Zwecke genutzt zu haben. Nawalny und seine Anwälte weisen die Vorwürfe zurück und sprechen von "politischer Verfolgung". Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International verurteilten den Prozess als Farce.
Das Team des Kremlgegners sieht das Vorgehen der russischen Justiz als weiteren Versuch an, Nawalny mundtot zu machen. Es handele sich um ein von Putin und der Präsidialverwaltung in Moskau gesteuertes Verfahren, sagte die Sprecherin des Oppositionellen, Kira Jarmysch. "Erst hat er (Putin) versucht, Alexej zu töten, und als das scheiterte, hat er entschieden, ihn für immer im Gefängnis zu halten."
Nawalny selbst äußerte sich kurz nach der Verkündung des Urteils per Twitter. "9 Jahre. Nun, wie die Charaktere meiner Lieblingsserie 'The Wire' immer zu sagen pflegten: 'Du schaffst nur zwei Tage. Das ist der Tag, an dem du reingehst, und der Tag, an dem du wieder rauskommst.'" Er habe sogar ein T-Shirt mit dem Slogan gehabt. Dies sei allerdings von den Gefängnisbehörden beschlagnahmt worden.
Der Kremlgegner hatte einen Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok im August 2020 nur knapp überlebt. Präsident Putin wies eine Beteiligung zurück. Die EU hatte wegen des Attentats Sanktionen gegen Russland verhängt.
Sprecherin befürchtet Kontaktabbruch
Nawalny war nach seiner Genesung in Deutschland, wo ihn die damalige Kanzlerin Angela Merkel in der Charité in Berlin besucht hatte, vor mehr als einem Jahr nach Russland zurückgekehrt. Er wurde am 17. Januar 2021 am Flughafen in Moskau festgenommen, weil er gegen Auflagen in einem anderen Strafverfahren verstoßen haben soll.
Die russische Justiz hatte ihm vorgeworfen, während seiner Genesung in Deutschland in der Heimat gegen Meldeauflagen verstoßen zu haben. Ein Gericht wandelte daraufhin eine Bewährungsstrafe aus einem früheren Verfahren wegen angeblichen Betrugs in Straflager-Haft um. Die mehrjährige Haftstrafe verbüßt er in einem Straflager in Pokrow rund 100 Kilometer östlich von Moskau.
Nawalnys Sprecherin Jarmysch befürchtet, dass er nun als "Wiederholungstäter" eingestuft und in ein Lager mit härteren Haftbedingungen deutlich weiter weg von Moskau gebracht werden könnte. "Es wird dann praktisch unmöglich sein, Zugang und Kontakt zu ihm zu haben", sagte Jarmysch.
Bisher gelingt es dem Politiker immer wieder, über seine Anwälte Botschaften an die Öffentlichkeit zu bringen. So wurden zuletzt auch Nawalnys Aufrufe zu Protesten gegen Putins Krieg gegen die Ukraine in sozialen Netzwerken verbreitet.