Amnesty Iraker mit Kabeln gepeitscht

Trotz der weltweiten Empörung über die Folterbilder aus Abu Ghraib werden im Irak weiter Häftlinge misshandelt - sagt die zumindest die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Die USA und Großbritannien streiten die Vorwürfe ab.

Nach Darstellung von Amnesty International werden im Irak Gefangene immer noch misshandelt. Dies hätten Interviews mit ehemaligen Gefängnisinsassen und deren Anwälten ergeben, schreibt die Menschenrechtsorganisation in einem Bericht. Demnach werden Gefangene etwa mit Plastikkabeln geschlagen oder mit Elektroschocks gequält.

Die Vorwürfe beziehen sich auf Haftanstalten der amerikanischen und britischen Streitkräfte im Irak ebenso wie auf Gefängnisse, die von den irakischen Behörden verwaltet werden. Ein Sprecher der Haftanstalten der US-Streitkräfte wies die Anschuldigungen zurück. Alle Gefangenen würden entsprechend internationalen Konventionen und irakischen Gesetzen behandelt, erklärte Oberstleutnant Guy Rudisill. Das britische Verteidigungsministerium sagte, Misshandlungsvorwürfen sei stets nachgegangen worden.

System lädt zum Missbrauch ein

Amnesty kritisiert in dem Bericht weiter, dass einige Gefangene mehr als zwei Jahre lang festgehalten worden seien, ohne rechtlich gegen ihre Inhaftierung vorgehen oder einen Anwalt sprechen zu können. "Andere wurden nach einigen Monaten freigelassen, ohne Erklärung, Entschuldigung oder Entschädigung", heißt es in dem Bericht. Das System sei willkürlich und lade zum Missbrauch ein. US-Militärsprecher Rudisill widersprach dieser Darstellung und erklärte, jeder Gefangene erhalte eine schriftliche Begründung für seine Inhaftierung. Zudem finde alle 90 bis 120 Tage eine Haftüberprüfung statt.

Derzeit hielten allein die Koalitionstruppen im Irak rund 14.000 Häftlinge fest, schreibt Amnesty unter Berufung auf im November von den US-Streitkräften im Internet veröffentlichte Zahlen. Die USA hatten im vergangenen Jahr angekündigt, die Kapazität der Militärgefängnisse im Irak solle auf bis zu 16.000 Haftplätze erweitert werden. Amnesty-Sprecherin Nicole Choueiry erinnerte daran, dass die Koalitionstruppen und insbesondere die USA nach dem Folterskandal von Abu Ghraib versprochen hätten, weiteren Misshandlungen vorzubeugen. Bis heute genössen die Häftlinge aber keinen Rechtsschutz. Die USA und Großbritannien müssten die Inhaftierung von Verdächtigen auf unbestimmte Zeit beenden, ihnen Zugang zu Anwälten und einem unparteiischen Gericht verschaffen und Misshandlungsvorwürfe aufklären.

Hohe Zahl der getöteten Zivilisten an

Auch der UN-Beauftragte für den Irak, Ashraf Jehangir Qazi, zeigte sich über die Menschenrechtslage in dem Golfstaat besorgt. Es gebe Berichte über exzessive Gewalt, willkürliche Inhaftierungen in illegalen Gefangenenlagern sowie über das spurlose Verschwinden von Menschen, sagte Qazi am Sonntag vor Journalisten in Bagdad. Viele der angeprangerten Taten gingen offenbar auf das Konto der Aufständischen. Allerdings sei eine Überprüfung der Berichte wegen der prekären Sicherheitslage nicht möglich. So gebe es keine verlässlichen Angaben über die Zahl der bei den Anschlägen der letzten Jahre getöteten Zivilpersonen, sagte Qazi.

Unterschiedliche Regierungsstellen verbreiteten dazu widersprüchliche Informationen. Die Zahl der Todesopfer dürfte jedoch mehrere 10.000 betragen. Nach Einschätzung des früheren UN-Gesandten John Pace haben die Menschenrechtsverletzungen im Irak heute das gleiche Ausmaß wie unter der Herrschaft des gestürzten Staatschefs Saddam Hussein. Betroffen sei jedoch ein weit größerer Teil der Bevölkerung als früher, sagte der frühere Direktor des Menschenrechtsbüros bei der UN-Vertretung im Irak. Auch Qazi erklärte, dass sich die Menschenrechtslage seit dem Sturz des alten Regimes kaum verbessert habe.

AP
Jennifer Quinn/AP