Aus dem Schatten der nationalen Vaterfigur Arafat wird für lange Zeit niemand heraustreten können. Auch deshalb, weil der machtversessene Alte nie einen politischen Nachfolger aufgebaut hat.
Eine Fülle von Funktionen hatte Mister Palestine auf sich vereinigt. Arafat war gewählter Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, Vorsitzender des Exekutivrates der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, Chef ihrer wichtigsten Untergruppe, der Fatah, und Oberbefehlshaber von etwa einem Dutzend Polizei- und Geheimdienstgruppen. Er gründete seine Macht auf die rivalisierenden Sicherheitsapparate, die sich gegenseitig belauerten und nur ihm Rechenschaft schuldig waren.
Die palästinensischen Gesetze sehen vor, dass innerhalb von 60 Tagen nach dem Tod des Präsidenten Neuwahlen abgehalten werden. Bis dahin soll Rawhi Fatuh, der Sprecher des Parlaments, die Amtsgeschäfte führen. Doch Fatuh fehlt es an politischer Statur. Da zudem unsicher ist, ob Wahlen fristgerecht abgehalten werden können, wird wohl der amtierende Ministerpräsident Ahmed Kurei zunächst Arafats Nachfolger an der Spitze der Autonomiebehörde. Als Vorsitzender der PLO wird der frühere Ministerpräsident Mahmud Abbas gehandelt. Beide gelten als politisch gemäßigt und waren seit Jahrzehnten trotz manchen Streits Arafats Weggefährten.
Konkurrenz werden sie aus der Riege jüngerer Palästinenser bekommen, die sich einen Namen als Anführer im Widerstand gegen Israel machten, während die alte PLO-Spitze um Arafat noch im Exil war. Der populärste unter den Jungen ist Marwan Barguti, ein Fatah-Führer aus dem Westjordanland. Viele Palästinenser sehen in ihm den natürlichen Erben Arafats. Doch er sitzt seit mehr als zwei Jahren in einem israelischen Gefängnis, verurteilt zu fünfmal lebenslänglich wegen Mordes.
Zu den jüngeren Führern zählen auch Mohammed Dahlan und Dschibril Radschub, zwei Chefs der "Preventive Security", der eine im Gaza-Streifen, der andere im Westjordanland. Beide haben einen Ruf als Pragmatiker, der sie auch für Israelis und Amerikaner akzeptabel macht. Außerdem befehligen sie eine der schlagkräftigsten Polizeitruppen und könnten so als Hüter von Ruhe und Ordnung fungieren.
Sie haben allerdings gespannte Beziehungen zu den mächtigen islamistischen Gruppen, Hamas und Islamischer Dschihad, weil sie gegen deren Anhänger wiederholt gewaltsam vorgegangen sind. Eine stabile Palästinenserregierung wird aber unter Ausschluss der Islamisten nicht zu bilden sein. Sie werden kaum die Führung beanspruchen, pochen jedoch darauf, entsprechend ihrem politischen Einfluss beteiligt zu werden. Ihre Anhängerschaft ist insbesondere in Gaza recht groß.
Noch lehnen Israelis und Amerikaner jeglichen politischen Kontakt mit Hamas und Islamischem Dschihad ab. Mit Terroristen, so die Begründung, wird nicht verhandelt. Gälte das auch für eine neue Palästinenserregierung, wären die Folgen absehbar: weitere Selbstmordanschläge, weitere Vergeltungsaktionen, zunehmendes Chaos in den Palästinensergebieten.
Einen Vorgeschmack darauf gaben die Unruhen in Gaza in diesem Sommer, als Tausende gegen Arafat auf die Straße gingen und militante Palästinenser Polizeistationen der Autonomiebehörde anzündeten.