Das nordkoreanische Atomprogramm ist einem US-Zeitungsbericht zufolge weitaus umfangreicher als bislang angenommen. Vertreter des kommunistischen Landes hätten einem US-Wissenschaftler in der vergangenen Woche eine neue weitläufige Anlage zur Urananreicherung gezeigt, berichtete die "New York Times" vom Samstag. In der Anlage, deren genauer Ort zunächst unbekannt blieb, seien hunderte Zentrifugen installiert gewesen. Wissenschaftler Siegfried Hecker, früherer Chef der US-Forschungseinrichtung Los Alamos National Laboratory, sagte der Zeitung demnach, er sei "verblüfft" gewesen angesichts der ausgeklügelten Anlage. Er habe "hunderte und hunderte" Zentrifugen und einen "ultramodernen Kontrollraum" gesehen. Nordkoreanischen Angaben zufolge seien dort bereits rund 2000 Zentrifugen im Einsatz. Er habe das Weiße Haus bereits über die Neuigkeiten informiert, das laut "New York Times" die Bündnispartner der USA und den US-Kongress unterrichtet habe. Das Blatt zitierte Hecker weiter mit den Worten, dass es ihm verboten worden sei, in der Anlage Fotos zu machen. Auch habe er die Angaben der Nordkoreaner nicht überprüfen können, wonach die Anlage bereits niedrig angereichertes Uran produziere. "Es gibt Gründe, sich zu fragen, ob das wahr ist", sagte Hecker der Zeitung. Auch bezweifle er, dass Pjöngjang in der Lage sei, das Projekt fertigzustellen. In dem Bericht hieß es weiter, Nordkorea hätte die Anlage ohne ausländische Hilfe so schnell nicht errichten können.
"Ein Weg, der die gesamte Region destabilisiert"
Das in Washington ansässige Institute for Science and International Security hatte erst am vergangenen Donnerstag Satellitenbilder veröffentlicht, die auf den Bau eines neuen Leichtwasserreaktors im Atomkomplex von Yongbyon hindeuten, mit dem nach Einschätzung von US-Experten die Herstellung von waffenfähigem Plutonium möglich ist. Hecker zufolge soll der Reaktor nach nordkoreanischen Plänen bis zum Jahr 2012 fertig sein. Die Atomanlage in Yongbyon ist seit Jahrzehnten das Herzstück des nordkoreanischen Atomprogramms. Am Sonntag wurde der US-Gesandte Stephen Bosworth in der Region zu Gesprächen über das nordkoreanische Atomprogramm und über die Wiederaufnahme der suspendierten Sechser-Gespräche erwartet. Bosworth wollte zuerst in Seoul Station machen und dann weiter nach Tokio und Peking reisen. Die US-Armee kritisierte unterdessen Nordkoreas "aggressives Auftreten". "Aus meiner Sicht verfolgt Nordkorea einen Weg, der die gesamte Region destabilisiert", sagte US-Generalstabschef Mike Mullen am Sonntag im Fernsehsender CNN. Heckers Bericht bestätige die Besorgnis der USA bezüglich Pjöngjangs Nuklearprogramm. Nordkorea hatte erstmals im Oktober 2006 und dann im Mai 2009 Atomwaffen getestet. Kurz vor dem zweiten Test war Nordkorea aus den Sechser-Gesprächen mit Südkorea, China, den USA, Russland und Japan ausgestiegen. In den vergangenen Monaten signalisierte Pjöngjang wiederholt, es sei bereit, unter bestimmten Bedingungen an den Verhandlungstisch zurückzukehren. US-Präsident Barack Obama sagte vergangene Woche in Seoul, der Norden müsse "die Aufrichtigkeit seines Anliegens" unter Beweis stellen.