Blair-Schröder Am Ende des dritten Weges

Gerhard Schröder und Tony Blair hatten einst das gleiche Ziel: Ihre Sozialdemokraten wollten sie auf den Weg der Neuen Mitte führen. Mit dem jüngsten Subventionsstreit scheiterte nicht nur der EU-Haushalt sondern wohl auch die deutsch-englische Freundschaft.

Vor sechs Jahren wollten sie noch gemeinsam Europas Sozialdemokraten reformieren. Am 8. Juni 1999 veröffentlichten Tony Blair und Gerhard Schröder ein Papier, in dem sie unter den Schlagworten "Neue Mitte" und "Dritter Weg" ihre Parteien modernisieren wollten. Mit einigen der Rezepte von damals schaffte der britische Premier vor kurzem einen historischen dritten Wahlsieg, während Schröder im Herbst die Abwahl droht.

In Deutschland versank das für viele Traditionssozis unerhörte Schröder-Blair-Manifest rasch in der Versenkung, nachdem SPD-Linke und Gewerkschaften wegen "neoliberaler Anleihen" Sturm liefen. Erst spät, mit der Agenda 2010, erinnerte sich Schröder an einige der Einsichten von damals. Vor allem daran, dass ein großer Teil der Arbeitslosigkeit durchaus strukturelle Gründe habe.

"Freund Tony" auch nach Beginn des Irak-Krieges

Auch als beide Regierungschefs schon längst politisch getrennte Wege gingen, blieb es beim engen Vertrauensverhältnis. Beide sahen sich häufig und vertrugen sich gut. Vom "Freund Tony" war auch noch beim Kanzler die Rede, als Blair im Irak-Krieg an der Seite Washingtons marschierte, während Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chirac die Anti-Kriegs-Front anführten.

Doch spätestens seit dem turbulenten Brüsseler EU-Gipfel scheint von der alten Freundschaft kaum noch etwas übrig zu sein. Als eine Art Verrat hat es Schröder wohl empfunden, dass sich Blair schon ein paar Tage vorher in Berlin hinter seinem Rücken von CDU-Chefin Angela Merkel eine Zusicherung über den Fortbestand des Briten-Rabatts geben ließ, wie später aus der Umgebung des Premiers jedenfalls verlautete. Entsprechend frostig verlief das anschließende Treffen mit Schröder im Kanzleramt.

Seitdem hat sich die gereizte Tonart zwischen London und Berlin weiter verschärft. Während aus Blairs Amtssitz in der Downing Street die Einschätzung verbreitet wurde, Schröder und Chirac seien ohnehin "Leute von gestern", ging der Kanzler in die Gegenoffensive. Zwar ohne Blair namentlich zu nennen, konterte er gezielt in Richtung London, wer aus "nationalem Egoismus oder populistischen Motiven" Europa zerstören wolle, versündige sich an kommenden Generationen.

Blairs angelsächsische Spielart des Kapitalismus mit weitgehender Deregulierung ist für Schröder jedenfalls kein Vorbild mehr. Er setzt unverändert auf den Sozialstaat kontinentaler Prägung, auch wenn die Ergebnisse im Wettlauf beider Modelle derzeit eher dem britischen Weg Recht zu geben scheinen. Die Arbeitslosigkeit auf der Insel liegt seit Jahren unter fünf Prozent, das Wachstum zwischen 2,5 und drei Prozent. Schattenseiten, wie ein marodes Gesundheitssystem, ein unterbezahlter Dienstleistungssektor, eine Rekordschuldenlast bei den Privathaushalten angesichts hoher Preise, werden dabei oft vergessen.

"Spalte und herrsche"

Ob Blair gewillt ist, das nicht nur im Verhältnis zu Schröder zerschlagene Porzellan wieder zu kitten, dürfte sich schon an diesem Donnerstag beim Auftritt vor den EU-Parlamentariern in Brüssel zeigen. Mit seinem kompromisslosen Verhalten im Finanzstreit hat er nicht nur die neuen EU-Mitglieder in Osteuropa vor den Kopf gestoßen, sondern auch bislang treue Verbündete wie Irlands Regierungschef Bertie Ahern, der Blairs Vorgehen als "unanständig" kritisierte.

Nicht wenige EU-Regierungen sind zunehmend überzeugt, es sei erklärtes Ziel Londons, die EU auf eine "Freihandelszone de luxe" zu reduzieren. Aufmerksam zur Kenntnis genommen wurde auch in Berlin ein in der britischen Presse kolportierter fiktiver Dialog zwischen zwei Kabinettsmitgliedern aus der Fernsehserie "Yes Minister". "Hauptziel der britischen Außenpolitik in den letzten 500 Jahren war es, ein uneiniges Europa zu schaffen - nach dem Motto: spalte und herrsche", hieß es dort. Wenn man die EU schon nicht von Außen knacken könne, müsse man es eben von Innen heraus versuchen.

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Joachim Schucht/DPA

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