BRASILIEN Lula gewinnt überlegen Präsidentenwahl

Der Linkskandidat Luiz Inacio Lula da Silva hat die Präsidentenwahl in Brasilien mit großem Vorsprung für sich entschieden. Er kam auf rund 61 Prozent der Stimmen.

Brasilien hat zum ersten Mal einen Sozialisten zum Staatspräsidenten gewählt. Der frühere Schlosser und Gewerkschaftsführer Luiz Inàcio Lula da Silva von der »Partei der Arbeiter« (PT) gewann die Stichwahl am Sonntag nach vorläufigen Ergebnissen mit 61,5 Prozent der Stimmen klar gegen den Bewerber der Mitte-Rechts-Regierung, José Serra (60). Es war der vierte Anlauf des 57-jährigen Lula auf die Präsidentschaft. Medien bezeichneten den Wahlausgang als »historisch«.

»Präsident aller Brasilianer«

In einer nüchternen und versöhnlichen Rede versicherte Lula, er werde ab Januar »Präsident aller 175 Millionen Brasilianer« sein. Er wolle die ganze Gesellschaft auffordern, beim »Bau eines gerechteren, brüderlichen und solidarischen Landes« mitzumachen, sagte er mit ernster Miene in Sao Paulo. Zur »internationalen Gemeinschaft« sagte er, Brasilien wolle einen entscheidende Beitrag zum Frieden weltweit leisten. Für Montag kündigte er eine Ansprache an die Nation an.

»Meilenstein für die Demokratie«

Serra erkannte seine Niederlage bereits am Sonntagabend an. »Die Urnen haben gesprochen«, sagte er. Der scheidende Präsident Fernando Henrique Cardoso, der in der ersten Wahlrunde vom 6. Oktober nach zwei Amtszeiten nicht mehr hatte antreten dürfen, bezeichnete derweil den Ablauf des Urnengangs trotz der Niederlage seines Kandidaten als »Triumph und historischen Meilenstein für die brasilianische Demokratie«.

Brasilien erlebte unterdessen - so ein Radiosprecher - einen »roten Karneval«. Zehntausende gingen im größten Land Lateinamerikas auf die Straßen, um den Triumph von Lula zu feiern. PT-Anhänger versammelten sich unter anderem an der Copacabana in Rio de Janeiro, wo sie die Stimmenauszählung auf einer Großbildleinwand verfolgten, sowie auf der Avenida Paulista in Sao Paulo.

»Rotes Fahnenmeer«

Viele verkleideten sich als Clowns oder trugen zu Ehren von Lula einen künstlichen Vollbart. Die meisten Menschen trugen auf Mütze oder T-Shirt einen roten Stern, das Kennzeichen der PT. »Man sieht nur ein rotes Fahnenmeer«, beschrieb ein Fernsehreporter die Szenen. Zwischenfälle wurden nicht gemeldet.

Amtsübergabe im Januar

Der neue Präsident übernimmt sein Amt Anfang Januar. Es wird erst das zweite Mal in der 113-jährigen Republikgeschichte Brasiliens sein, dass ein verfassungsmäßiger Präsident einem demokratisch gewählten Nachfolger die Amtsschärpe umlegt. Das genaue Datum des Machtwechsels steht allerdings noch nicht fest.

Kampf gegen den Hunger

Als Präsident will Lula vor allem den Hunger in der neuntgrößten Volkswirtschaft der Erde bekämpfen. Nach Angaben der Kirche leben dort 50 von 170 Millionen im Elend. »Ich will zeigen, dass ein Schlosser das Land besser regieren kann, als das die Elite in mehr als 100 Jahren gemacht hat«, versprach er mehrfach.

Der unaufhaltsame Aufstieg des einstigen Bürgerschrecks hatte mehrere Gründe, vor allem aber die Mäßigung seiner Kritik gegen Kapitalismus und die internationalen Finanzorganisationen. Erstmals genießt er auch die Unterstützung vieler Unternehmer. Textilmagnat José Alencar ist als Vizepräsident nominiert. Nach mehrmonatigen Turbulenzen gab der Markt Lula zuletzt auch ein Vertrauensvotum. In der Woche vor den Wahlen kletterten die Kurse an der Börse in Sao Paulo um elf Prozent, den höchsten Fünf-Tage-Anstieg des Jahres.

Reibungsloser Urnengang

Die Wahlen verliefen ohne Zwischenfälle. Rund 115 Millionen Brasilianer waren an die Urnen gerufen worden, um den Präsidenten zu wählen. Daneben fanden in 14 von 27 Bundesländern Stichwahlen zur Bestimmung der Gouverneure statt. Im Land Rio, wo die Drogenmafia in den vergangenen Wochen mehrfach für Unruhe gesorgt hatte, wurden neben 40.000 Polizisten auch rund 11.000 Soldaten auf die Straßen geschickt.

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