Bush-Rede Aufgewärmte Reste von gestern

  • von Katja Gloger
Es sollte eine mutige Rede zur Lage der Nation sein, die George W. Bush vor dem demokratisch dominierten Kongress halten wollte. Doch was der US-Präsident verlas, war Aufgewärmtes und Altbekanntes. Auch zum Irak-Krieg. Nur als es ums Klima ging, ließ er aufhorchen.

Seit vergangenen Freitag hatte er seinen Auftritt im Kinosaal des Weißen Hauses geübt, die Entwürfe korrigiert, immer wieder, die Redenschreiber an ihre Computer getrieben. Redenschreiber, die schon seit sechs Wochen an Formulierungen gefeilt hatten, an Thesen, kühnen Visionen gar über Amerikas Zukunft.

Grundsätzliches dieser Art soll der Präsident der Vereinigten Staaten in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation, der "State of the Union" verkünden, die er vor dem Kongress hält. George W. Bush kam gestern zum sechsten Mal hierher. Hier hatte er einst zum Kampf gegen die "Achse des Bösen" aufgerufen. Hier hatte er auch schon mal erklärt, die USA würden Menschen zu Mars schicken. Vor allem aber hatte er immer wieder über den Fortschritt im Irak gesprochen: Über die Sicherheit, die diese Demokratie den Menschen im Nahen Osten geben werde.

Vor kampfeslustigen Kongress getreten

Doch am Abend trat George W. Bush zum ersten Mal vor einen kampfeslustigen Kongress, in dem die Demokraten unter Vorsitz von "Madam Speaker" Nancy Pelosi die Mehrheit haben. Er trat vor einen Kongress, in dem selbst viele Republikaner nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen. "Wir werden ihn für seine Irak-Politik verantwortlich machen", warnen die Fraktionsführer seiner eigenen Partei. Was kann dieser Präsident noch erreichen? Ist er mehr als eine "lame duck", eine lahme Ente, zwei Jahre vor dem Ende seiner Amtszeit?

Das Publikum auf der Galerie gab eine ziemlich klare Antwort: es hatte längst die Zukunft im Blick. Vor allem Hillary Clinton und Barack Obama, die beiden Konkurrenten um die demokratische Präsidentschaftskandidatur. Würden sich die beiden Superstars begegnen? Würden sie in den wenigen Plauder-Minuten vor dem Auftritt des Präsidenten gar miteinander sprechen? Sie grüßten nach rechts und nach links, sie gingen geschickt aneinander vorbei, würdigten einander keines Blickes. Als ob sie sich noch nie gesehen hätten.

Stehende Ovationen für den Präsidenten

Bush wurde mit stehenden Ovationen begrüßt, als er um 21.07 Uhr den Sitzungssaal betrat. Doch nicht ihm, sondern dem Amt des Präsidenten gilt der Applaus. So wollen es die strengen Traditionen seit 1790, als George Washington seine erste Rede zur Lage der Nation hielt. Die Tradition will auch, dass besondere Gäste neben der First Lady platziert werden. In den vergangenen Jahren waren es meist Vorzeige-Iraker und tapfere Afghanen. In diesem Jahr war es eine Unternehmerin, ein Irak-Veteran sowie Wesley Autrea, ein Bauarbeiter aus Harlem, der heldenhaft einem Fremden das Leben gerettet hatte, als der unter eine U-Bahn geriet. Ihm applaudierte man stehend, begeistert, ehrlich, es war der schönste Moment des Abends.

Denn sonst war gestern die ziemlich schwache, steif vom Blatt gelesene Rede eines Mannes zu hören, der sich längst in die Geschichte verabschiedet hat. Die Geschichte, davon ist er überzeugt, wird seine Entscheidungen rechtfertigen.

Noch nie waren seine Umfragewerte so schlecht wie in diesen Tagen, und das will selbst für George Bush etwas heißen: nur noch 28 Prozent der Amerikaner sind mit seiner Amtsführung zufrieden. Schlimmer noch: immer weniger Amerikaner vertrauen diesem Präsidenten, das Land in Zeiten der Krise zu führen.

Umso langatmiger rechtfertigte Bush seine neue Irak-Strategie, über die Hälfte seiner 40-minütigen Rede: Truppenerhöhungen, und das gleich Zehntausendfach. Mögen Militärexperten noch so sehr vor einer Eskalation warnen, mögen selbst republikanische Senatoren noch so sehr mit symbolischen Anti-Kriegs-Abstimmungen drohen - Bush bleibt stur bei seinem Kurs. Sein kühles Kalkül: ein Truppenabzug würde den Irak noch tiefer in den Bürgerkrieg stürzen. Eine Niederlage noch während seiner Amtszeit aber will er um jeden Preis vermeiden. Wie sagte er neulich in einem Interview? Die Auseinandersetzung im Irak, der Krieg gegen den Terror, all das werde auch noch seine Nachfolger beschäftigen.

Versuchtm gute STimmung zu machen

Schon im Vorfeld hatte das Weiße Haus versucht, gute Stimmung zu machen. Von einer "mutigen" Rede sprach man, von pragmatischen, parteiübergreifenden Initiativen. Doch dann las Bush lustlos Aufgewärmtes über eine angebliche Gesundheitsreform vom Blatt, die Demokraten rührten keine Hand zum Applaus. Ein neues Einwanderergesetz? Auch darüber debattiert man seit Jahren. Bildungsreform? Ein Endlos-Langeweiler. Mehr Geld für den Kampf gegen Aids und Malaria? Wenigstens dem kann sich keiner verweigern.

Einzig ein Wort ließ aufhorchen: "global warming". Die Klimakatastrophe hat nun auch das Weiße Haus erreicht. Da kündigte Bush Energie-Sparmaßnahmen an: so sollen die Amerikaner in den kommenden zehn Jahren 20 Prozent weniger Benzin verbrauchen.

Sein Land ist weiter als er

Damit reagiert Bush auf den wachsenden Druck aus dem eigenen Land. Denn sein Land ist längst weiter als er. So haben Republikaner und Demokraten eine gemeinsame Gesetzesinitiative eingebracht, die die Emission des Treibhausgases CO2 begrenzen soll. Und selbst die Vorstandsvorsitzenden von zehn großen US-Konzernen wie etwa General Electric forderten vor wenigen Tagen das bislang Undenkbare: ein Gesetz über Emissionsbeschränkungen. Sie fordern nichts weiter als ein Kyoto auf amerikanische Art.

Der Präsident hatte sich vorsichtshalber schon vor einigen Wochen als "Öko" geoutet – Anfang Januar, als Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Besuch war. Da hatte er eine Überraschung parat: "Ich kann sogar das Wort Treibhausgas buchstabieren" sagte er ihr. Es sollte ein Scherz sein.